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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat
Autoren: Guillermo Del Toro
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runter von der Landebahn. Damit habe ich sie aus der Radarüberwachung genommen und an ASDE übergeben, das Bodenkontrollsystem. «
    Eine Hand auf das Headset-Mikro gelegt sagte Calvin: »Vielleicht musste der Pilot alle Systeme runterfahren?« Jimmy fuhr sich durch das Haar. »Vielleicht. Vielleicht sind ihm aber auch alle Systeme abgeschmiert.«
    »Warum haben sie dann nicht die Tür aufgemacht?«, fragte ein anderer Anzugtyp.
    Darüber hatte sich Jimmy bereits den Kopf zerbrochen.
    Passagiere saßen für gewöhnlich nie länger still als unbedingt nötig. Erst eine Woche zuvor war es in einer aus Florida kommenden JetBlue fast zu einer Meuterei gekommen - und dabei war es lediglich um
altbackene Bagels
gegangen. Hier saßen die Leute schon - wie lange? - fest. Vielleicht fünfzehn Minuten. In kompletter Dunkelheit. »Da drin wird's langsam verdammt heiß. Wenn der Strom ausgefallen ist, gibt's keine Luftzirkulation mehr. Keine Belüftung.«
    »Worauf zum Teufel warten wir dann noch?«
    Jimmy spürte, wie bei allen die Anspannung stieg. Dieses Loch im Bauch, dieses flaue Gefühl, wenn einem klar wird, dass gleich etwas passiert - etwas sehr, sehr Schlimmes. »Was, wenn sie sich nicht bewegen können?«, entfuhr es ihm, bevor er sich auf die Zunge beißen konnte.
    »Eine Geiselnahme? Meinen Sie etwa das?«, fragte der Anzugtyp.
    Jimmy the Bishop nickte unmerklich. Aber das war es nicht, was er dachte. Aus welchem Grund auch immer, er konnte an nichts anderes denken als an dieses eine Wort:
    Seelen.
     
    Rollbahn Foxtrot
     
    Die Flughafenfeuerwehr der Port Authority rückte zu einem Routineeinsatz für eine havarierte Passagiermaschine aus: sechs Einsatzfahrzeuge einschließlich Flugfeldlöschfahrzeug, Tanklöschfahrzeug und Drehleiterwagen. Sie hielten vor dem mobilen Gepäckband bei den blauen Markierungsleuchten, die Foxtrot einfassten. Captain Sean Navarro sprang von der hinteren Plattform des Leiterwagens und baute sich mit Helm und feuerfester Schutzkleidung vor dem »toten« Flugzeug auf. Die blitzenden Warnleuchten der Einsatzfahrzeuge tauchten den Rumpf der Maschine in ein pulsierendes rotes Licht, einen künstlichen Herzschlag. Es sah aus wie ein leeres Flugzeug bei einer Nachtübung.
    Navarro ging nach vorn und kletterte hoch zu Benny Chufer, dem Fahrer. »Setz dich mit der Betriebstechnik in Verbindung und lass die Flutlichtscheinwerfer hierherbringen. Dann fährst du nach vorne bis direkt hinter die Tragfläche.«
    »Wir haben Anweisung, uns zurückzuhalten«, erwiderte Benny.
    »Hier steht ein Flugzeug voller Menschen. Wir werden nicht dafür bezahlt, in der Nase zu bohren. Wir werden dafür bezahlt, Menschenleben zu retten.«
    Benny zuckte mit den Achseln und tat, was der Captain von ihm verlangte. Navarro stieg aus dem Führerhaus rauf auf das Dach, wo Benny den Ausleger gerade so weit anhob, dass er die Tragfläche erreichte. Der Captain schaltete seine Taschenlampe an und kletterte zwischen den bei den senkrecht stehenden Landeklappen über die schräge Kante, wobei er seine Stiefel genau dort aufsetzte, wo in fetten schwarzen Buchstaben BETRETEN VERBOTEN stand.
    Oben angekommen marschierte er, sechs Meter über der Rollbahn, die breiter werdende Tragfläche entlang auf den Notausgang zu, die einzige Tür einer Passagiermaschine, die sich im Fall der Fälle von außen öffnen lässt. Sie hatte ein kleines Fenster ohne Blendschutz. Navarra versuchte hineinzusehen, aber durch die Kondenswasserperlen auf der Scheibe konnte er nichts ausmachen als Dunkelheit. Da drinnen musste die Luft zum Schneiden dick sein.
    Warum riefen sie nicht um Hilfe? Warum hörte er von innen nicht den geringsten Laut? Wenn die Kabine immer noch unter Druck stand, war die Maschine luftdicht versiegelt. Diesen Passagieren hier ging langsam, aber sicher der Sauerstoff aus.
    Navarro streifte die Feuerwehrhandschuhe über, drückte die rate Doppelklappe ein und holte den Öffnungs bügel aus der Vertiefung. Er drehte ihn um hundertachtzig Grad in Pfeilrichtung und zog. Jetzt hätte die Tür nach außen aufspringen sollen, doch sie rührte sich nicht. Er zog noch einmal, wusste aber sofort, dass es vergebliche Liebesmühe war - sie gab keinen Millimeter nach. Völlig unmöglich, dass sie von innen blockierte. Der Bügel musste sich verklemmt haben, oder irgendetwas hielt sie von innen zu ...
    Er ging über die Tragfläche zurück zur Leiter. Von dort sah er das orangefarbene Warnlicht eines Dienstfahrzeugs, ein Elektromobil, das
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