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Die Saat der Bestie (German Edition)

Die Saat der Bestie (German Edition)

Titel: Die Saat der Bestie (German Edition)
Autoren: Michael Dissieux
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sind einfach nur noch Bilder. Starre, glatte Bilder, bar jeglichen Lebens. David kann sich nicht einmal mehr vorstellen, wie Darleen von einer Steinplatte zur nächsten gehüpft ist. Er weiß nicht mehr, wie sich ihr Haar im Wind bewegte oder ihr Kleid ihren schlanken Körper wie einen Schleier umspielte. Alles, was er noch hat, sind leblose Bilder. Bilder, die heute seinen wertvollsten Besitz darstellen. Stille, erstarrte Fotografien aus einer Zeit, in der alles anders war. Einer Zeit, in der er glücklich und nicht alleine war.
    Der Garten ist mittlerweile verwildert. Die Steinplatten sind unter Unkraut und Dornenranken verschwunden, die Rosenbüsche gleichen kahlen, abgestorbenen Skeletten, die sich verzweifelt dem Himmel entgegenstrecken.
    Anfangs hat sich David noch um die kleine Oase gekümmert. In den ersten Tagen, als sich plötzlich alles veränderte, ist er jeden Tag nach draußen gegangen und hat Äste und Unkraut von den Büschen und Steinen entfernt. Es ist wie in den Sommern mit Darleen gewesen. Er hat sich vorgestellt, wie sie neben ihm steht und sich um ihre Rosen kümmert, während er Äste und Dreck aufliest. Darleen hat die Angewohnheit besessen, mit ihren Blumen zu sprechen. Sie sagte, das würde ihnen beim Wachstum helfen und ihnen ihre Liebe vermitteln. David hat sich in den ersten Tagen genau das vorgestellt: Wie Darleen in ihrer fleckigen Garten-Jeans auf einer seiner Steinplatten steht und mit einer roten Rose redet. Er konnte ihre Stimme hören, tief in seinen Gedanken, und er glaubte sogar, ihr Parfüm in der Morgenluft zu riechen. Wenn er dann wieder ins Haus ging, waren seine Hände schmutzig und seine Augen tränenfeucht.
    Irgendwann ist er dann nicht mehr nach draußen in die Oase gegangen, weil es ihn einfach zu sehr schmerzte. Stattdessen begnügte er sich damit, den kleinen Garten vom Fenster aus zu betrachten. Darleen war immer bei ihm, sprach mit ihren Blumen und lachte über seine albernen Scherze. Wenn er jetzt aus dem Fenster sieht, ist der Garten still. Darleens Stimme hat der Wind mit sich fortgetragen, die Farben der Blumen und Büsche sind verblasst und die Steinplatten verschwunden. Zurück ist nur ein grauer Garten geblieben, unter dessen wucherndem Unkraut bald die letzten Erinnerungen erstickt sein werden.
    David fragt sich, wie lange es wohl dauern mag, bis sich die Natur auch den Rest der Stadt genommen hat. Er tritt vom Fenster zurück und steckt Darleens Foto in die Schatulle seiner Erinnerungen zurück. Er muss aufpassen, dass er mit seinen Fingern nicht die letzten Farben von ihr verwischt. Wenn Darleen erst einmal grau geworden ist, hat er gar nichts mehr.
    Als er in die Küche geht, betrachtet er die Dosen, die er ordentlich in einer Ecke gestapelt hat. Früher befand sich an der Stelle der Korb für Bonzo, ihren Schäferhund. Jetzt stehen dort Davids Vorräte, wie eine Pyramide aufgestapelt.
    Er greift nach einer Dose mit eingelegten Pfirsichen, öffnet sie und schüttet sie mit dem Saft auf einen Teller. Dann setzt er sich an den Tisch und beginnt langsam zu essen. Er sollte nichts Süßes mehr essen, hatte ihm Dr. Myers ungefähr drei Wochen, bevor alles endete, mit sorgenvoller Miene beizubringen versucht.
    Scheiß auf Dr. Myers , denkt David und genießt die schwere Süße des Pfirsichsaftes auf seiner Zunge. Vielleicht würde er später am Tag noch in die Stadt gehen.
    Während er isst und der Raum ihm dabei still zusieht, spürt er, wie sich eine unangenehme Kälte in seine Knochen schleicht. Er kann sich nicht helfen, irgendetwas ist anders; als würden sich unheilvolle Schatten unter den Türen hindurchzwängen und den Raum mit Dunkelheit füllen, nur dass der Raum sein Verstand ist. Irgendetwas verdunkelt seine Gedanken.
    Selbst die Luft um ihn herum scheint an diesem Tag anders zu schmecken. Als hätte sich etwas lautlos herangeschlichen und die Luft mit seinem Gestank verpestet.
    Etwas stimmt nicht , denkt er und isst den Rest der Früchte. Der Zucker verklebt seine Lippen. Scheiß auf Dr. Myers.

    ***

    Sie kauert sich in eine Ecke, zieht die Beine ganz fest an den Körper und legt ihre Stirn auf die Knie. So, wie sie es in ihrem Haus in Waterbury tat, wenn sich das Schweigen der Stadt auf sie stürzte. Schon als Kind hat sie sich immer zu verstecken versucht, wenn sie vor etwas Angst hatte. Genauso versucht sie sich auch jetzt zu verstecken. Verstecken vor … Etwas … das sie gespürt hat.
    Ich hätte weiterziehen sollen , denkt sie und ist
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