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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin
Autoren: Claudia Groß
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verschwundenen Priester. Er erhob sich, und seine Stiefelsporen klirrten. »Wenn Ihr es wünscht, gehe ich mit Euch, Herr«, sagte er leise.
    Am nächsten Tag, während Maesfeld sein Hab und Gut zusammenpacken ließ und zum Aufbruch rüstete, hatte der Ire die Gegend durchstreift. Schließlich war er auf ein Wäldchen gestoßen, das von den Soldaten verschont geblieben war. Schlüsselblumen blühten hier im Schatten der Bäume, ein kleiner Weiher schlummerte in einem Augenblick göttlichen Vergessens dahin.
    Der Ire war vom Pferd gestiegen und hatte sich gebückt. Küchenschelle blühte neben einem von Efeu überwachsenen Baum. Ihre schmalen, blauen Blüten waren der Sonne zugewandt. Der Ire grub die Pflanze mit dem Messer aus. Wenn man Wurzeln und Blätter zerrieb, konnten sie Fieber senken und die schlechten Säfte vertreiben. Cai Tuam wanderte weiter. Von einer Weide schabte er ein Stück Rinde ab. Wenn sein neuer Herr nicht behandelt würde, konnte sich die Entzündung einen Weg über das Blut in den übrigen Körper suchen, und das wäre tödlich. Das hatte er oft genug gesehen, und dagegen wußte er kein Mittel. Auf einer Lichtung machte er Halt und rastete im sonnenwarmen Gras.
    Es dämmerte bereits, als Berthold in Raupach ankam. Schon von weitem hatte er die Umrisse der stark befestigten Burg gesehen und den Rauch, der in die kühle Luft aufstieg. Nachdem sie den halben Tag durch öde Heide geritten waren, ohne einem Menschen zu begegnen, erschien ihm die Burg wie die Insel der Seligen. Dort lebten Menschen, dort war es wohlig warm am Feuer, dort gab es Wein und Bier und Frauen für seine Soldaten. Sie passierten die hölzernen Palisaden und die ersten Wachen. Inzwischen war es dunkel geworden, doch Fackeln in eisernen Haltern beleuchteten den plumpen Turm und einen zweistöckigen Palas. Daneben lagen die Stallungen für die Pferde und das Vieh.
    Berthold gab das Zeichen zum Absitzen. Vielleicht ließ es sich hier doch besser aushalten, als er befürchtet hatte. Er sah Raupach zur Begrüßung die breite Treppe vom Palas herunterkommen, einen Fuchsfellmantel um die Schultern geworfen, unter dem ein rotes Wams schimmerte. Sie begaben sich in die große Halle. Dort stand ein langer Tisch aus Kiefernholz in der Mitte, im Kamin loderte hell das Feuer, und die Balken an der Decke waren vom Ruß geschwärzt. Kerzen brannten auf den Tischen, Fackeln an den Wänden. Diener trugen die Speisen auf silbernen Platten herein: Hammel, Gemüse in einer dicken, schweren Soße und frisches, noch warmes Brot.
    Raupachs Familie saß am Tisch. Seine Frau war mager, schwarzhaarig und kleingewachsen, ein südländischer Typ mit dunkler Hautfarbe, und der Blick aus ihren braunen Augen war melancholisch. Maria dagegen war schön und strahlte Jugend und Leben aus. Blond, blauäugig und zart wie ein Blütenblatt. Ihr heller Teint verlieh ihr das Aussehen einer Heiligen: Sie erinnerte Berthold an einen Engel, und das weiß-goldene Kleid, das sie trug, verstärkte diesen Eindruck noch.
    Berthold saß zwischen ihr und der zukünftigen Schwiegermutter, Raupach selbst am Kopf des Tisches. Weiter unten die Offiziere und draußen die Soldaten in ihren Zelten. Stimmengewirr hallte von der hohen Decke wider, das Klappern der Messer auf den Tellern, und Berthold konnte sich nicht sattsehen an seiner Braut. Ihre Stiefmutter trank zuviel vom lieblichen Rheinwein und machte ihm schöne Augen, aber er bemerkte es nicht einmal. Er hatte nur Augen für Maria. Raupach beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Ihre Arroganz schien wie verflogen. Selbst sie mußte gemerkt haben, daß ihr zukünftiger Mann ein Muster an Anstand und Bildung war. Sie begegnete Raupachs Blick und nickte kaum merklich mit dem Kopf.
    Ja, sie mochte Berthold vom ersten Augenblick an, seine hellen, braunen Rehaugen, sanft und gütig, seine Haare, die einen kräftigen Stich ins Rote hatten, sein volles, rundes Gesicht mit leicht erschöpften Zügen. Er wirkte müde.
    Seine Wunde brannte wieder, doch das wollte er für sich behalten. Die Stimmen um ihn herum wurden lauter, je mehr Wein die Diener aus den Kellern herbeischafften.
    »Ihr hattet eine anstrengende Reise«, sagte Maria zu ihm, »es ist spät. Wollt Ihr nicht zu Bett gehen?«
    Erst schwieg er. Doch was nützte es, ihr zu verschweigen, was sie bald ohnehin sehen würde? Daß er krank war und eine schwärende Wunde sein Bein entstellte. »Meine Wunde schmerzt. Kein Anlaß zur Sorge, aber durch das viele Reiten ist sie wieder
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