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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin
Autoren: Claudia Groß
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denen Berthold Angst hatte um Cai, Angst, daß jemand ihn denunzieren würde, weil er sich so gut auf die Kräuter und die Gifte verstand und zuweilen seltsame gälische Gebete vor sich hin murmelte. Niemand wußte, zu wem er betete. Es konnte Gott sein oder auch ein anderer. Der Antichrist vielleicht.
    Berthold fiel die Zeit in Alessandria wieder ein, wo er dem Iren zum ersten Mal begegnet war. 1174, also vor Jahren schon war das gewesen, als er mit dem Kaiser nach Oberitalien gezogen war, um die Stadt Alessandria zu belagern, aber er erinnerte sich nur ungern daran …
    Den ganzen Winter 1174 hatte die Belagerung angedauert. Ein milder Winter, und vor ihnen diese schweren, starken Mauern, die sie noch im Traum vor sich sahen. In den schneebedeckten Alpen hing der Nebel düster und grau zwischen den Tälern.
    Kaiser Friedrich, auch Barbarossa genannt, hatte hier damals neues Land für sein Reich von Gottes Gnaden erobern wollen. Aber die von Gott verfluchte Stadt wehrte und zierte sich wie eine Jungfrau und hatte ihre Mauern eng um sich geschlossen. Der Kaiser hatte mehr Soldaten verloren als in einer offenen Schlacht, und die Söldner kosteten ihn jeden Tag ein Vermögen. Am Heiligen Abend war er so demoralisiert, daß er laut darüber nachdachte, sie wieder über die Alpen zurückzuschicken, doch mit wessen Hilfe hätte er dann den Krieg weiterführen sollen? Seine Leute waren des Kämpfens müde und sahen auch keinen Sinn mehr darin, gegen eine Stadt anzustürmen, die sich nicht stürmen ließ.
    Auch Berthold, Vasall des Kaisers, hatte diesen Krieg satt. Und er hatte den Kaiser satt, dieses Ungeheuer, das jeden Tag, den Gott werden ließ, Menschen opferte für ein wahrhaft sinnloses Unterfangen. Berthold konnte den Geruch des Blutes nicht mehr ertragen, der wie eine Wolke über dem Lager stand, und auch die Schreie der Verletzten nicht, die bis in sein Zelt drangen.
    Weihnachten ging vorüber, und die Belagerung dauerte an. Immer mehr Tote, immer mehr Verletzte und Kranke, und im neuen Jahr noch mehr Blut, das die Erde tränkte. Berthold hatte sich während dieser langen Monate einem seltsamen Mann angeschlossen, eben jenem irischen Söldner, der jetzt bei ihm war und der ihm damals das Leben gerettet hatte. Berthold war zu Beginn der Belagerung in einen feindlichen Hinterhalt, geraten, und das Schwert eines Gegners hatte ihn an der Hüfte getroffen. Cai Tuam hatte die Wunde behandelt und verbunden. Er hatte ihm einen Kräutertrank verabreicht, nach dem Berthold lange geschlafen hatte. Und von dem er gestärkt wieder erwacht war. Seitdem konnte er wieder reiten und ein Schwert führen. Aber er war nicht kaltblütig genug, um ein guter Soldat zu sein.
    Die Leichen vor den Toren der Stadt widerten ihn an, er wandte den Blick ab, wenn sie weggetragen wurden. Ihm wurde übel, wenn er einen Rumpf ohne Kopf sah oder von Pech übergossene Menschen, die elend erstickten. Er hielt sich zurück und nützte seinen hohen Status, um Strategien zu entwickeln, für die andere ihren Kopf hinhalten mußten.
    Der Kaiser war anders. Er watete im Blute der Menschen, auch wenn es seine eigenen waren, und betete für ihr Seelenheil.
    Auch der Ire war anders. Mal in sich gekehrt, mal zügellos und aufbrausend. Und der Tod war sein Geschäft. Ein Handlanger für jeden, der ihm genug Gold bot, und der Kaiser bot mehr als jeder andere. Dem Iren war es gleich, ob die Stadt eingeäschert wurde oder nicht. Er bekam sein Geld, so oder so. Das war die Sichtweise der Söldner. Siegte ihr Herr, gab es reiche Beute, siegte er nicht, suchten sie sich einen anderen.
    Während Maesfeld mit den hohen Herren Pläne schmiedete, um die Stadt doch noch in die Knie zu zwingen, kämpfte der Ire draußen vor den Toren und lieferte sich mit den anderen Soldaten Scharmützel in der Umgebung. Einmal am Tag besuchte er Maesfeld in seinem Zelt und erkundigte sich nach dessen Gesundheit. Er war gebildet, sprach Latein und konnte schreiben. Es gefiel ihm, sich mit dem Herren, der die Bücher mehr liebte als den Krieg, auf philosophische Dispute einzulassen. Auf der anderen Seite aber war er ein Satan. Wenn Maesfeld eine besonders unangenehme Aufgabe zu vergeben hatte oder jemanden suchte, der ein besonders blutiges Geschäft übernehmen mußte, fiel seine Wahl immer auf den Iren, denn der machte nicht viel Federlesens und schien kein Gewissen zu haben. Vielleicht verdankte er das dem Erbteil seiner keltischen Vorfahren, denn die hatten ihren Feinden die Köpfe
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