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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin
Autoren: Claudia Groß
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und sich in der Küche umgetan, die Vorratskammer geplündert und den guten Wein auf den Tisch gekarrt. Dann hatten sie getrunken, bis nichts mehr übrig war, und waren auf ihren Stühlen eingeschlafen. Als gegen Nachmittag endlich die Streitmacht des Kaisers eintraf, hatten Raupachs Leute im Wald gesessen und in der frühherbstlichen Kälte mit den Zähnen geklappert, während die Sachsen noch immer schliefen und nur drei Leute als Wache aufgestellt hatten. Die kaiserlichen Soldaten hatten keine Mühe gehabt, sie zu überwältigen, zu binden und in die Kellergewölbe zu werfen, wo sie auf ihre Verhandlung warten konnten. Sie hatten die Frauen und Kinder aus ihrem bangen Warten erlöst und die erschöpften vertriebenen Franken aus dem Wald zurückgeholt.
    Cai Tuam schickte Raupach ins Bett, der einer Ohnmacht nahe war. Dann wanderten seine Gedanken zu Rosalie. Er ging in die Halle zurück, suchte nach ihr, fand sie aber nicht.
    »Sie ist in ihre Hütte zurückgekehrt«, sagte Maria leise.
    »Dann wißt Ihr ja, wo Ihr sie finden werdet«, erwiderte er bitter.
    Sie senkte den Kopf. Hätte sie geschwiegen, wäre Berthold vielleicht noch am Leben. Sie hatte alles falsch gemacht. Wenn es jetzt noch eine Hoffnung gab, neu anzufangen, dann nicht mit dieser kranken Rache im Herzen.
    »Lassen wir es gut sein«, murmelte sie und wandte sich ab.

OTHALA
    Ñ
    »Ein achtzehntes kann ich, das ich allen hehle,
seis Mutter oder Maid – das beste ist immer,
was nur einer weiß;
das sei mein letztes Lied –, außer der einen,
die im Arm mich hält oder deren Bruder ich bin.«

Es war wie beim ersten Mal. Rosalie hatte sich im Wald versteckt, als er kam. Wieder rief er ihren Namen, und als sie nicht reagierte, betrat er die Hütte. Drinnen brannte ein Feuer, denn über Nacht war es Herbst geworden. Er mußte wissen, daß sie da war, also verließ sie ihr Versteck hinter den Steinen und ging zur Hütte herüber. Der Ire stand vor dem Lager mit den Fellen und starrte auf die Pferdedecke.
    »Du hättest nicht kommen sollen.«
    Er drehte sich um. Ein kleines Lächeln stahl sich in seine müden Augen. Er sah erschöpft aus, erschöpft vom Krieg vielleicht oder vom Leben überhaupt. »Es wird wieder Winter, aber nach Raupach kann ich dich diesmal nicht mitnehmen …«, sagte er nur.
    Rosalie schüttelte den Kopf. »Warum bist du gekommen?«
    »Ich sah die Decke auf deinem Lager, da wußte ich, daß du da bist.«
    »Ich gehöre hierher. Wohin sonst hätte ich gehen können?«
    »Niemand wird zu dir kommen. Die Leute haben Angst. Hast du das vergessen?«
    Nein, sie hatte es nicht vergessen. Sie waren freundlich zu ihr gewesen, die Leute, die sie nach ihrer Ankunft besucht hatte, aber daß sie sie aufsuchen würden, glaubte sie nicht. Es war im Grunde aber auch einerlei.
    Sie war ein Feenbalg und gehörte nicht in diese Zeit. Und sie hatte nicht die Kraft wie Sigrun, den Lauf der Dinge zu verändern. Die Rune, die sie zog, war immer nur I SA , I SA , I SA , sie klebte an ihren Händen wie Pech und hieß Stillstand, Eis – alles wie festgefroren. Rosalie wartete wie der zugefrorene Teich auf den Frühling, daß das erstarrte Leben wieder zu fließen begänne.
    »Rosalie«, sagte Cai Tuam in die Stille hinein, »komm mit mir. Maesfeld ist tot. Und ich will endlich nach Hause. Komm mit mir nach Irland.«
    Der Wind draußen ließ die Tür knarren und fuhr in den Kamin, daß es zischte und qualmte. Das Feuer erlosch. ›Ein leises Ende‹, dachte Rosalie, ›nach so vielen Tränen und Blut und Schmerzen. Machen wir uns davon aus dieser Welt mit ihren Priestern und Kaisern und Herzögen und verkriechen uns in einem anderen Winkel. Es ist einerlei. In Irland soll es stille, einsame Winkel geben. Mir bleiben nur noch Inseln, weitab vom Leben.‹
    »Du hast mir an allem die Schuld gegeben«, sagte sie bitter. »Obwohl doch alles Sigruns Werk gewesen ist.«
    Er setzte sich auf das Lager und strich über die Pferdedecke. »Ich muß im Reich der Pferde gewesen sein, wo und was immer es auch ist. Die Frauen regieren dort, so wie in uralten Zeiten, und Spinnen in gewebten Netzen. Ich hatte Angst, das war alles. Ich war wie krank vor Angst um meinen Herren, dem ich ein Versprechen gegeben hatte wie deiner Mutter, und suchte einen Schuldigen. Und ich hatte Angst vor den Göttern, auch sie waren schuldig in meinen Augen.«
    »Es gibt das Reich der Pferde nicht mehr«, murmelte Rosalie. »Die Pferde sind weiß und wurden früher als Orakel benutzt. Auch ich
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