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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin
Autoren: Claudia Groß
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abgeschlagen und sie sich über die Türen gehängt.
    Im neuen Jahr wurden die Besuche des Iren spärlicher.
    Die Belagerung zog sich hin, und der Kaiser hatte Alpträume. Er suchte nach einer Möglichkeit, die Allianz zwischen dem Papst und den oberitalienischen Städten zu durchbrechen, und sah sich schließlich gezwungen, mit den Lombarden einen Waffenstillstand auszuhandeln.
    Das Frühjahr kam, und die Stadt hatte sich noch immer nicht ergeben. Da gab der Kaiser auf. Er schickte seine teuren Söldner zurück über die Alpen und saß tagelang dumpf brütend in seinem Zelt. Ein Gedanke ließ ihn nicht mehr los. Er würde Hilfe brauchen, um seine Stellung jenseits der Alpen auszubauen, ob die Stadt nun fiel oder auch nicht. Er brauchte Soldaten, und er brauchte Geld.
    Er hatte einen Vetter, jenen Herzog von Braunschweig, den Sachsen, mit dem er sich damals noch verstand, und der besaß beides: Soldaten und Geld. Man könnte ihn bitten auszuhelfen. Der Kaiser ließ seinen Schreiber holen und einen Herold. Der eine setzte einen Brief auf, der andere brach auf nach Braunschweig.
    Der Ire gehörte zu den letzten Söldnern, die sich auf den Weg über die Alpen machen wollten. Doch bevor er die lange Reise antrat, sah er bei Maesfeld vorbei, der fiebernd in seinem Bett lag.
    »Ihr wart lange nicht mehr hier«, hatte Berthold gesagt.
    Der Ire nickte. »Wir hatten viel zu tun«, sagte er leise mit diesem singenden Akzent in der Stimme, »die Flamen waren die ersten, die abgezogen sind. Sie werden sich in England verpflichten, wenn der Kaiser ihnen keine Zusage machen kann.«
    »Der Kaiser wartet auf die Hilfe seines Vetters«, sagte Berthold nachdenklich, »aber wer weiß, ob der Herzog Lust hat, sein Geld und seine Männer hierherzuschicken – womöglich sieht er beides nie wieder. Und wohin werdet ihr gehen?«
    Cai Tuam zog die Schultern hoch. »Dahin, wo es Krieg gibt, Herr.«
    Dann fiel sein Blick auf die verbundene Hüfte Maesfelds. »Ist die Wunde wieder aufgebrochen?«
    Berthold richtete sich auf und löste vorsichtig den Verband. »Ein harmloser Turniergang vor einer Woche. Der Ritter traf mich genau neben der ersten Wunde. Das hat sie wieder aufgerissen.«
    Der Ire nahm den flaschengrünen Umhang ab und legte den Verband zur Seite. Die Wunde war nun doppelt so groß, voll gelbgrünlichem Eiter und das Fleisch stark geschwollen. »Das ist eine böse Entzündung, Herr«, sagte er ernst. »Damit werdet ihr nicht reiten können.«
    Maesfeld nickte. »Ich weiß. Es brennt wie Feuer in meinem Bein.«
    Der Ire verschwand und kam kurze Zeit später wieder. Er legte einen neuen Verband an, den er zuvor in Alkohol getaucht hatte. »Ich habe keine Kräuter hier«, sagte er bedauernd und warf sich den Umhang wieder über die Schultern.
    Plötzlich packte Maesfeld seine Hand. »Wollt Ihr nicht mit mir kommen, Ire?« fragte er eindringlich. »Mein Bruder ist ein hoher Herr in Schwaben. Er könnte Euch unter seinen Befehl stellen, und er zahlt gewiß nicht schlecht.«
    Cai Tuam hob den Blick. Seine grünen Augen waren kühl und ein wenig belustigt. »Sorgt Ihr Euch um mein Auskommen, Herr?«
    Maesfeld lachte leicht verlegen. Er hatte einen Narren an diesem Kelten gefressen, der ihm ein Rätsel blieb mit seinen lateinischen Ambitionen und seiner Heilkunst. »Könnt Ihr mir helfen, Cai?« fragte er leise. »Ich habe alle Ärzte dieser Welt bei mir gehabt, sogar der Kaiser hat mir seinen Medicus geschickt, aber je öfter sie mich zur Ader gelassen haben, desto schlimmer ist es geworden. Ihr habt mir schon einmal das Leben gerettet.«
    »Die Soldaten«, der Ire zuckte mit den Schultern, »haben hier keinen Stein auf dem anderen gelassen und die Gegend verwüstet. Ich brauche Kräuter, um Euch zu behandeln, Herr, und die finde ich hier nicht.«
    Maesfeld verstand. Hier war nur noch totes, verbranntes Land. Aber wenn er es bis zur nächsten Stadt schaffte, dort würde es Kräuter geben … »Kommt mit mir, Cai«, sagte er noch einmal.
    Der Ire setzte sich auf einen Schemel und sah nachdenklich aus. Im Augenblick hatte er keinen Herren mehr, der ihn bezahlte, und die meisten seiner Kameraden waren schon unterwegs. Bis der Kaiser den Krieg wieder aufnahm, konnten Monate vergehen. Und warum nicht solange nach Schwaben gehen und einen Herren vor dem sicheren Tod bewahren? Cai Tuam war des Tötens überdrüssig. Und des Gehorchens. Er dachte immer häufiger an die Stille in den Tälern seiner irischen Heimat. An die alte Weisheit der
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