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Die Ruinen von Gorlan

Die Ruinen von Gorlan

Titel: Die Ruinen von Gorlan
Autoren: John Flanagan
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Rekruten auferlegt wurden. Will bemerkte, wie viel Selbstironie und Selbstkritik Horace inzwischen besaß, der früher immer dazu geneigt hatte, zu prahlen und ein wenig hochmütig zu sein. Er vermutete, dass Horace ein viel besserer Heeresschüler war, als er nun vor ihnen zugab.
    Es war ein angenehmer, entspannter Abend. Als der Schankbursche die Teller abräumte, lächelte Jenny die beiden Jungen erwartungsvoll an.
    »Also gut! Wer will denn jetzt mit mir tanzen?«, sagte sie fröhlich.
    Will war einfach zu langsam mit der Antwort. Horace nahm Jennys Hand und führte sie auf die Tanzfläche. Als sie sich unter die Tanzenden mischten, schaute Will unsicher zu Alyss. Er war sich nie ganz sicher, was das Mädchen dachte. Wahrscheinlich verlangten es aber die guten Manieren, dass er sie fragte, ob sie auch tanzen wollte. Er räusperte sich nervös.
    »Ähm … möchtest du vielleicht auch tanzen, Alyss?«, fragte er verlegen.
    Sie schenkte ihm ein Lächeln. »Vielleicht lieber nicht, Will. Danke. Ich bin leider keine besonders gute Tänzerin und sehr ungelenk.«
    In Wahrheit war sie eine ausgezeichnete Tänzerin, doch taktvoll wie sie war, spürte sie, dass Will sie nur aus Höflichkeit gefragt hatte. Er nickte einige Male und sie schwiegen, aber es war ein freundschaftliches Schweigen.
    Nach einigen Minuten drehte sie sich zu ihm, stützte das Kinn in die Hand und musterte ihn. »Ein großer Tag für dich, morgen«, stellte sie fest.
    Will wurde rot. Er sollte am nächsten Tag vor dem Baron und dem gesamten Hofstaat erscheinen.
    »Ich weiß gar nicht, was das alles soll«, murrte er.
    Alyss lächelte ihn an. »Er will dir wahrscheinlich in aller Öffentlichkeit seinen Dank aussprechen. Ich habe gehört, Barone neigen dazu, so etwas Leuten gegenüber zu tun, die ihnen das Leben gerettet haben.«
    Will wollte etwas erwidern, doch Alyss legte einfach ihre Hand auf seine und er verstummte. Er sah in diese freundlichen, ruhigen grauen Augen. Alyss war ihm nie als besonders hübsch aufgefallen. Aber jetzt sah er ihre Eleganz und Anmut, sah ihre Augen, ihre feinen blonden Haare, und begriff, dass sie eine Schönheit war.
    Da beugte sie sich näher zu ihm und flüsterte: »Wir sind alle sehr stolz auf dich, Will. Und ich glaube, ich am allermeisten.«
    Und dann küsste sie ihn. Ihre Lippen auf seinem Mund waren unglaublich, einfach unglaublich weich.
    Stunden später, bevor er schließlich einschlief, konnte er sie immer noch spüren.



W ill stand wie gelähmt vor Lampenfieber neben den hohen Türen des Audienzsaals.
    Der Saal war riesig. Es war der Hauptraum der Burg, wo der Baron alle seine offiziellen Angelegenheiten in Anwesenheit seines Hofstaates abwickelte. Die Decke schien sich ewig nach oben zu erstrecken. Licht fiel durch die Fenster hoch oben in den dicken Mauern. Am anderen Ende des Raumes, in einer – wie es Will schien – unendlichen Entfernung, saß der Baron in seiner besten Robe auf einem thronartigen Sessel.
    Zwischen ihm und Will befand sich die größte Menschenmenge, die Will je in einem Raum gesehen hatte.
    Walt gab seinem Lehrling einen sanften Schubs nach vorne. »Na los doch«, brummte er.
    Es waren Hunderte von Menschen in der Halle und die Augen aller waren auf Will gerichtet. Sämtliche Zunftmeister des Barons waren da und in ihre offiziellen Roben gekleidet. All seine Ritter mit ihren Damen – jede in ihrer besten Kleidung. Nahe an der Tür standen die Soldaten aus der Armee des Barons, die anderen Lehrlinge und die Handwerker aus dem Dorf. Will sah ein farbiges Tuch aufblitzen, als Jenny, unbeeindruckt wie immer, ihm mit einem Schal zuwinkte. Alyss stand neben ihr und war etwas diskreter. Sie warf ihm mit den Fingerspitzen eine Kusshand zu.
    Verlegen stand Will da und trat von einem Fuß auf den anderen. Er wünschte, Walt hätte ihn seinen Waldläuferumhang tragen lassen, damit er unauffällig mit dem Hintergrund verschmelzen könnte.
    Walt stieß ihn wieder an. »Na los!«, zischte er.
    Will drehte sich zu ihm. »Kommt Ihr denn nicht mit?«, fragte er.
    Walt schüttelte den Kopf.
    »Wurde nicht eingeladen. Jetzt geh schon!«
    Er stieß Will noch einmal an, dann humpelte er, um sein verletztes Bein zu entlasten, zu einem Sitzplatz.
    Will wurde langsam bewusst, dass er keine andere Wahl hatte, und so ging er den langen Flur entlang. Er hörte die Stimmen, als er an den Wartenden vorbeilief. Sein Name wurde geflüstert.
    Und dann wurde Beifall geklatscht.
    Die Dame eines Ritters begann
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