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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren
Autoren: Veit Heinichen
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Antibiotika. Und eine Tollwutuntersuchung ist unumgänglich. In ein paar Tagen liegt das Ergebnis vor. Das Beste ist, ich bringe Sie zu uns ins Hospital.«
    Diesmal zuckte Pina vor Schreck zusammen. Ins Krankenhaus wollte sie auf keinen Fall. Und schon gar nicht im Ausland.
    Der Arzt legte einen Verband an. »Belasten dürfen Sie das Bein zunächst nicht. Bis Dreikönig haben Sie Zwangsurlaub.«
    »Hören Sie«, sagte Pina zögerlich. »Ich wohne in Triest. Könnte ich nicht dort ins Krankenhaus? Das wäre doch einfacher.«
    »Nach der Behandlung, junge Dame, lassen Sie sich abholen. Bei uns sind Sie in guten Händen, und ich kann mich persönlich darum kümmern, daß Sie gleich drankommen und nicht warten müssen«, sagte Černik. »Und außerdem muß ich bei solch einem Vorfall die Polizei verständigen.«
    Pina hörte ein Räuspern hinter sich. »Das ist also unser Gast, den mein heldenhafter Sohn aufgelesen hat?«
    Ein athletischer, graumelierter und elegant gekleideter Mann reichte ihr die Hand, ohne seinen weichen, hellgrauen Seidenhandschuh abzustreifen. »Da hatten Sie noch einmal Glück, wie ich hörte. Nicht wahr, Peter? Unser Doktor wohnt in der Nachbarschaft. Aber bevor er Sie ins Krankenhaus bringt, sollten Sie sich stärken. Pina heißen Sie, sagte mein Sohn. Nennen Sie mich Duke.«
    »Gerne«, sagte Pina und starrte auf seine Hände. Hatte der Mann eine Krankheit?
    »Ich lasse Sie hinüberbringen in den Salon. Die Zeit habenwir doch noch, Doktor?« Der Blick des Mannes war, ganz im Gegensatz zu seiner weichen Stimme, wie Gletscherwasser.
    »Ich werde der jungen Dame erst noch ein Schmerzmittel geben. Und wenn du die Polizei in Sežana verständigen würdest, dann hätte unsere Patientin die Sache mit dem Protokoll gleich hinter sich.«
    »Die Polizei?« Der Tonfall von Sedems Vater klang spöttisch.
    »Ja, ich muß es melden, wenn jemand von einem Kampfhund angefallen wird. Das Tier muß gefunden und auf Tollwut untersucht werden. Und es muß verhindert werden, daß sich solche Vorfälle wiederholen.« Doktor Černik reichte Pina eine Tablette und ein Glas Wasser. »Das lindert die Schmerzen. Sie sind tapfer, Signorina. Es muß sehr weh tun, aber Sie lassen es sich kaum anmerken.«
    Leise Swing-Musik klang ihr entgegen, als sie durch eine breite Tür geschoben wurde. Der Salon war weitläufig und modern eingerichtet, seine meterdicken Wände aus dem grauen Bruchstein des Karsts penibel verfugt, kein Staubkorn weit und breit zu entdecken. Quasi steril, wenn in der Mitte des Raumes nicht ein offenes Feuer unter einer Kaminglocke gelodert hätte, um das eine Sitzgruppe aus modernen Sofas und Sesseln für mindestens zwanzig Personen gestellt war. Duke rückte einen Sessel zur Seite, damit Pinas Rollstuhl dazwischengeschoben werden konnte. Sie hatte noch nie Einlaß in ein solch aufwendig eingerichtetes Haus gefunden. Derartigen Luxus hatte sie nicht einmal in Illustrierten gesehen. Nicht zu fassen, welchen Reichtum es inzwischen auch in Slowenien gab. Es stank geradezu nach Geld, an dem es zwar auch nicht ihrer Klientel aus den oberen Chargen des süditalienischen Organisierten Verbrechens mangelte, doch denen fehlte der Geschmack. Und man verbat es sich, den angehäuften Reichtum nach außen zu zeigen. Zu empfindlich war das Sozialgefüge, auf das man sich stützte, wennes darum ging, schmutzige Geschäfte zu machen. Aber hier? Und Pina mit einem frisch verbundenen Fuß mittendrin? Sie kam sich vor wie im falschen Film. Diesen Sonntag morgen würde sie nie vergessen.
    Duke gab einem Diener eine knappe, freundliche Order, worauf dieser kurz darauf mit einem Tablett voller Kanapees sowie einer Flasche Champagner und Gläsern zurückkam, einschenkte und dann lautlos verschwand. Es war gerade mal elf Uhr, und Pina trank normalerweise höchstens am Abend nach dem Training einen Schluck Bier oder Wein. Doch heute war alles anders.
    Sie drehte sich halb um, als sie das Geräusch des elektrischen Rollstuhls hörte, mit dem Sedem in den Salon fuhr. Er hatte sich rasch umgezogen und noch eine dringende Mail verschickt, eine wichtige Auftragsbestätigung, bevor er sich zu der kleinen Gesellschaft begab. Die junge Frau gefiel ihm, ihre direkte Art zu sprechen und zu fragen zeigte, daß sie Charakter hatte. Und ihre mangelnde Schönheit machte sie durch Mut und Selbstbewußtsein wett.
    »Vater ist heute gutgelaunt«, scherzte Sedem, als er den Champagner sah. »Wie immer, wenn er Gäste hat. Was leider viel zu selten
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