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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren
Autoren: Veit Heinichen
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vorkommt.«
    »Unsere Patientin«, sagte Doktor Černik, »darf aber nur ein kleines Glas trinken. Wegen der Medikamente.«
    Als die beiden Polizisten aus Sežana eintrafen, grüßten sie den Hausherrn auffallend ehrfurchtsvoll. Duke bat sie, Platz zu nehmen und ihrer Pflicht nachzukommen, das angebotene Getränk lehnten sie ab. Sie nahmen Pinas Personalien auf und lächelten, als sie hörten, daß sie eine Kollegin aus der Nachbarstadt war. Nur Dukes Blick verlor einen Augenblick an Freundlichkeit, als er ihren Beruf vernahm. Sie erzählte in knappen Worten, was passiert war, und beschrieb, so gut sie konnte, den Hund. Die beiden Beamten verabschiedeten sich nach einer Viertelstunde und versprachen, sie zu informieren,sobald es Neuigkeiten gab. Pina kannte den Tonfall aus eigener Erfahrung, sie glaubten vermutlich selbst nicht, daß sie etwas herausbekamen. Aber der Arzt hatte seine Pflicht getan und war entlastet. Wenig später bedankte sich Pina freundlichst bei ihren Gastgebern und versprach, baldmöglichst ihr Fahrrad abzuholen. Bei der Verabschiedung fiel Pinas Blick wieder auf Dukes graue Handschuhe. Seltsamer Vogel, dachte sie, wahrscheinlich hatte er Angst vor einer Ansteckung.
    »Kommen Sie mich besuchen«, sagte Sedem herzlich. »Wann immer Sie wollen. Und wenn Sie selbst nicht fahren können, schicke ich Ihnen einen Chauffeur. Sie müssen unbedingt auch meine Großmutter kennenlernen. Sie trifft sich heute mit ihren Freundinnen zum Bärenfleisch.« Und als er Pinas ungläubiges Gesicht sah, fügte er hinzu: »Doch, doch! Sie liebt Bär über alles, davon läßt sie sich von nichts abhalten.«
    Dann saß sie neben Doktor Černik im Auto. »In einer halben Stunde sind Sie im Krankenhaus von Nova Gorica«, sagte der Arzt mit ruhiger Stimme.
    »Nette Leute«, sagte Pina. »Ist Sedem schon lange gelähmt?«
    »Acht Jahre«, sagte Černik und stellte das Autoradio leise, aus dem die Stimme des deutschen Papstes eine Rückbesinnung auf die christliche Sonntagskultur forderte. »Es ist an seinem achtzehnten Geburtstag passiert. Sein Vater hatte ihm ein schnelles Auto geschenkt. Ein zu schnelles. Ein Wunder, daß er überhaupt noch lebt. Duke ist sehr unglücklich. Sedem ist sein siebtes Kind, das erste männliche. Er heißt eigentlich Sebastian, aber Sedem, sieben auf slowenisch, ist angeblich seine Glückszahl. Siebenmal hatte sich auch sein Wagen überschlagen, und er überlebte wie durch ein Wunder. Er läßt sich nicht unterkriegen. In seiner Willenskraft übertrifft er sogar seinen Vater. Und das will was heißen.«
    »Tatsächlich? Er macht doch einen sehr entspannten Eindruck.«
    »Duke verliert niemals seine Ruhe. Er ist ein Mann von unglaublicher Selbstdisziplin und mindestens soviel Überzeugungskraft. Gleich 1992 hat er hier gebaut. Kurz nachdem Slowenien sich aus der Jugoslawischen Föderation gelöst hatte und auf dem Balkan die Hölle ausbrach. Duke hatte die Weitsicht gehabt, daß es hier in großen Schritten vorangehen wird. Sie haben gesehen, was für ein tolles Anwesen er hat, auch wenn Sie nicht einmal den Bürotrakt betreten haben. Hochtechnologie und modernste Arbeitsplätze. Duke ist mit der ganzen Welt vernetzt.«
    »Und was treibt Duke in seinem Bürotrakt?« fragte Pina. Die beiden ineinander übergehenden Kleinsiedlungen Tabor und Jakovce machten nicht den Eindruck, daß dort viel Geld zu holen war. Abgeschieden lagen die alten Bauernhäuser auf dem Hügel, einige von ihnen waren verlassen und ihre Fenster mit windschiefen Läden verschlossen, von denen die Farbe abblätterte.
    »Big Business. Er spricht fünf Sprachen fließend. Ich kenne ihn, seit er hier zum ersten Mal auftauchte. Er ist in Deutschland aufgewachsen, aber seine Mutter stammt aus diesem Dorf und ist 1945 vor Tito geflohen, weil sie nicht im Kommunismus leben wollte. Sie hat später in Norddeutschland geheiratet, ich glaube Dukes Stiefvater stammt aus Bremen. Er hat Duke nach England aufs College geschickt, später zum Studium nach Amerika. Duke hat gleich nach dem Abschluß für verschiedene Konzerne gearbeitet, und es heißt, er sei sogar Wirtschaftsberater an der amerikanischen Botschaft in Moskau und in die Clearstream-Affäre verstrickt gewesen, worauf er sich im Finanzsektor selbständig machte und hierherkam. Er kaufte die Grundstücke der Familie seiner Mutter, die mittlerweile andere Eigentümer hatten, eines nach dem anderen wieder zusammen, renovierte aufwendigdie alten Häuser und baute neu dazu. Ein
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