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Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Die Rückkehr des friedvollen Kriegers

Titel: Die Rückkehr des friedvollen Kriegers
Autoren: Dan Millman
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da – bis ich jenseits der Illusionen von Raum, Materie und Zeit stand und alles begriff. Paradoxes, Humor und Veränderungen.
    Was ich als nächstes erlebte, läßt sich mit Worten nicht beschreiben. Natürlich könnte ich schreiben, daß ich »mit dem Licht eins wurde«. Aber solche Worte würden wie Staub auf das Papier fallen, denn es gab gar kein »Ich« mehr, das mit irgend etwas hätte »eins« werden können. Es war niemand mehr da, der das alles erlebte. An
der Herausforderung, diese Erfahrung zu beschreiben, scheitern die mystischen Dichter schon seit Jahrhunderten. Wie kann man ein Van-Gogh-Gemälde mit einem Stock in den Schlamm zeichnen?
    Das Universum hatte mich völlig verbrannt – es hatte mich aufgezehrt. Keine Spur war mehr von mir übrig. Nur noch Seligkeit. Realität. Geheimnis.
    Jetzt begriff ich den taoistischen Spruch: »Wer spricht, weiß nicht. Wer weiß, spricht nicht.« Die Weisen reden nicht mehr, weil Es sich nicht aussprechen läßt. Worte sind dieser Erfahrung gegenüber so ohnmächtig, als ob man mit Steinen nach den Sternen zielen würde. Wenn das unsinnig klingt, kann ich es auch nicht ändern. Aber eines Tages – und der Tag ist vielleicht nicht mehr sehr fern – wirst auch du es begreifen.
     
    Verwirrt und schwindelig – als sei ich aus einem Flugzeug gefallen und stürzte nun in den nächtlichen Himmel hinein –, kehrte ich in die Welt von Zeit und Raum zurück. Ich kniete immer noch vor Mama Chias Scheiterhaufen, dessen Silhouette sich dunkel vor dem Hintergrund der Wolken abhob, die am Mond vorbeizogen. Die Erde glitzerte, denn es hatte gerade geregnet. Ich merkte, daß ich triefnaß war. Der Regen hatte die letzte Glut der Flammen gelöscht, in denen Mama Chias Körper aufgegangen war. Eine Stunde war vergangen – und mir war es vorgekommen wie ein paar Sekunden.
    Die anderen waren schon fort, nur Joseph war noch dageblieben. Er kniete sich neben mich. »Wie geht es dir, Dan?« fragte er.
    Ich konnte nicht sprechen, aber ich nickte ihm zu. Sanft knetete er meinen Nacken mit den Händen. Ich spürte seine Liebe und sein Verständnis durch seine Finger. Er wußte, daß ich noch eine Weile hierbleiben würde. Er warf noch einen letzten Blick auf den verkohlten Scheiterhaufen und ging dann fort.
    Ich holte tief Luft und sog den Duft des feuchten Waldes in mich hinein, zusammen mit dem Rauchgeruch, der immer noch in der Luft hing. Das alles kam mir irgendwie gar nicht mehr wirklich vor – es war, als spielte ich nur eine Rolle in einem Drama, das nie endete,
als sei diese Dimension nichts weiter als ein kleiner Probenraum im unendlichen Theater Gottes.
    Doch allmählich sickerten die Fragen wieder in mein Gehirn zurück  – zuerst langsam, dann stürmten sie mit überwältigender Macht auf mich ein. Ich war aus dem Zustand der Gnade zurück in meinen Verstand, in meinen Körper, in die Welt gefallen. Was hatte meine Vision zu bedeuten?
    Vielleicht war das »der Ort jenseits von Zeit und Raum« gewesen, von dem Mama Chia mir erzählt hatte. Damals war mir ihre Schilderung sehr abstrakt vorgekommen – wie leere Worte, weil das alles noch jenseits meiner Erfahrungswelt gelegen hatte. Jetzt war es lebendige Realität. »An diesem Ort kannst du allen Menschen begegnen, die du treffen möchtest«, hatte sie zu mir gesagt. Wie gern wäre ich wieder dorthin zurückgekehrt, nur um sie noch einmal zu sehen!
    Zitternd und mit steifen Gliedern stand ich auf und starrte ins Leere, bis die Dunkelheit den Wald ganz eingehüllt hatte.
    Dann drehte ich mich um und wollte den Weg gehen, den auch die anderen eingeschlagen hatten – zurück durch den Regenwald. Hoch über mir konnte ich gerade noch die Lichter der Fackelprozession erkennen.
    Aber irgend etwas ließ mich nicht von hier fort. Ich hörte deutlich eine innere Stimme, die mich drängte hierzubleiben. Also setzte ich mich wieder hin und wartete. So saß ich die ganze Nacht lang, nickte hin und wieder ein und erwachte dann wieder. Manchmal schlossen sich meine Augen, als meditierte ich, manchmal waren sie offen und blickten einfach ins Leere.
     
    Als die ersten Sonnenstrahlen durch den Wald drangen und die Überreste des Scheiterhaufens erhellten, sah ich Mama Chia vor mir – eine deutlich greifbare, aber durchsichtige Gestalt. Ich weiß nicht, ob die anderen sie auch gesehen hätten, wenn sie noch dagewesen wären, oder ob ihr Bild nur vor meinem inneren Auge erschienen war.
    Aber sie stand da. Sie hob den Arm und
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