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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3
Autoren: Clive Barker
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Scanned by Doc Gonzo
    Knaur®
    Für Roy und Lynne
    Blutbücher sind wir Leiber alle;
    wo man uns aufschlägt: lesbar rot.
    Inhalt
    Rohkopf Rex
    Bekenntnisse eines (Pornographen-)
    Leichentuchs
    Der Zelluloidsohn
    Sündenböcke
    Menschliche Überreste

    Von all den erobernden Armeen, die Jahrhunderte hindurch die Straßen von Zeal zerstampft hatten, war es schließlich das leichtfüßige Getippel des Sonntagsausflüglers, das das Dorf in die Knie zwang. Römische Legionen hatte es erduldet und die Eroberung durch die Normannen, die Höllenqualen des Bürgerkriegs unter Cromwell hatte es überstanden, und alles, ohne seine Identität an die Besatzermächte zu verlieren. Aber nach Jahrhunderten von Stiefel und Stahl blieb es den Touristen den neuen Barbaren — vorbehalten, Zeal niederzuringen, mit den Waffen Höflichkeit und klingende Münze.
    Es war für die Invasion bestens geeignet. Fünfundsechzig Kilometer südöstlich von London, inmitten der Obstgärten und Hopfenfelder der Hügellandschaft von Kent, war es von der Großstadt weit genug entfernt, um den Ausflug zum Erlebnis zu machen, doch nah genug, um schnell das Feld räumen zu können, wenn das Wetter mies wurde. Jedes Wochenende von Mai bis Oktober war Zeal ein Wasserloch für ausgedörrte Londoner. An jedem schönwetterverdächtigen Samstag schwärmten sie durch das Dorf; brachten ihre Hunde mit, ihre Plastikbälle, ihren Wurf Kinder und das, was ihre Kinder wegwarfen, luden sie in grölenden Horden auf dem Dorfanger ab und kehrten dann wieder im »Langen Mann« ein, um über Gläsern warmen Biers Verkehrsgeschichten auszutauschen.
    Den Zealoten selbst bereiteten die Sonntagsausflügler keinen übermäßigen Kummer; zumindest vergossen sie kein Blut.
    Aber gerade ihr Mangel an Aggression machte die Invasion um so heimt ückischer.
    Nach und nach riefen diese großstadtmüden Menschen eine sanfte, aber bleibende Veränderung des Dorfcharakters hervor.
    Viele von ihnen hängten ihr Herz an ein Haus auf dem Lande, Sie waren bezaubert von den inmitten windzerzauster Eichen gelegenen Stein-Cottages, sie waren entzückt von den Tauben in den Kirchhof-Eiben. Sogar die Luft, sagten sie gern und atmeten dabei tief ein, sogar die Luft riecht hier frischer. Sie riecht nach England.
    Zuerst machten nur ein paar von ihnen Kaufangebote für die leeren Scheunen und verlassenen Häuser, die, eher störend, über Zeal und seine Umgebung verstreut waren. Dann wurden es immer mehr. Jedes schöne Wochenende konnte man sehen, Wie sie inmitten von Nesseln und Schutt herumstanden, um zu planen, wie der Küchenanbau auszuführen oder wo der Whirlpool zu installieren sei. Und obwohl viele von ihnen, wenn sie wieder zum Komfort von Kilburn oder St. John’s Wood zurückgekehrt waren, doch lieber dort blieben, schlössen regelmäßig jedes Jahr ein oder zwei von ihnen einen billigen Handel nit einem der Dorfbewohner ab und kauften sich einen Morgen vom wahren Leben.
    Und so kamen, als im Lauf der Jahre die Einheimischen von Zeal vom Alter weggerafft wurden, die zivilisierten Wilden statt ihrer ans Ruder. Die Besitzergreifung ging schleichend vor sich, aber für das wissende Auge war die Veränderung offenkundig. Sie zeigte sich in den Zeitungen, die das Post Office neuerdings auf Lager hatte - welcher Einheimische aus Zeal hatte sich je ein Exemplar des Harpers and Queen gekauft oder The Times Literary Supplement durchgeblättert? Sie zeigte sich, diese Veränderung, in den nagelneuen Wägen, die die einzige schmale Straße verstopften - Zeals Rückgrat -, die lachhafterweise High Road hieß. Sie zeigte sich auch in der Gerüchteküche im »Langen Mann«, ein sicheres Zeichen, daß die Angelegenheiten der Fremden zum geeigneten Gegenstand für Diskussion und Spott geworden waren.
    Freilich, im Lauf der Zeit fanden die Invasoren einen noch bleibenderen Platz im Herzen von Zeal, dann nämlich, als die beständigen Dämonen ihres hektischen Lebens, Krebs und Herzinfarkt, die ihren Opfern selbst in dieses neugefundene Land nachfolgten, ihren Tribut forderten. Wie vor ihnen die Römer, wie die Normannen, wie alle Eindringlinge, prägten die Pendler diesem widerrechtlich angeeigneten Rasenstück am nachhaltigsten ihren Stempel nicht dadurch auf, daß sie darauf bauten, sondern daß sie darunter begraben wurden.
    Feucht war’s diesmal Mitte September; Zeals letztem September.
    Thomas Garrow, der einzige Sohn des verstorbenen Thomas Garrow, schwitzte sich einen gesunden Durst zusammen,
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