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Die Rückkehr der Templerin

Die Rückkehr der Templerin

Titel: Die Rückkehr der Templerin
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Handrücken die Tränen fortwischte, aber auch nachdem sie sich an den unbarmherzigen Schein gewöhnt hatte, sah sie nichts Auffälliges. Zumindest auf dem schmalen Abschnitt des Strandes, den sie von hier aus überblicken konnte, regte sich nichts. Robin blieb fast eine Minute so stehen, blickte auf das Meer hinaus, das von der allmählich tiefer sinkenden Sonne in einen riesigen, azurblau und kupfern schimmernden Spiegel verwandelt wurde, und lauschte angestrengt.
    Nichts. Und genau das war es. Es war tatsächlich zu still.
    Robin ließ noch einen weiteren, allerletzten Moment verstreichen, dann aber drehte sie sich rasch um, verließ das Zimmer und eilte leichtfüßig die Treppe hinunter. Sie wartete darauf, dass Saila ihr entgegenkam oder dass sie Nemeths glockenhelles Lachen aus einem anderen Teil des Gebäudes hörte, vielleicht auch die Stimme ihrer Mutter, die sie wieder einmal wegen irgendeiner Kleinigkeit schalt; aber die Stille hielt an und bekam etwas Bedrohliches.
    Auch der große Raum unten war leer. Saila hatte ihre Kleider ordentlich zusammengefaltet auf die Bank neben der Tür gelegt. Rasch schlüpfte Robin in ihr Kettenhemd - es kam ihr jetzt noch schwerer vor als vorhin, so als hätte sich das Kleidungsstück gleich ihrem Ordensrock und dem schwarzen Mantel mit Wasser voll gesogen -, wollte ganz automatisch auch das weiße Templergewand überziehen und zog die Hand dann, einem Gefühl folgend, wieder zurück. Stattdessen band sie sich den Schwertgurt um und zog nur den schwarzen, zerfetzten Mantel darüber, den Saila, so gut es ging, vom gröbsten Schmutz befreit hatte. Flickzeug, um die Risse zu flicken, hatte sie nicht mitgebracht. Als Letztes raffte sie ihre Haare zu einem Knoten zusammen und band, so gut es ging, den schwarzen Turban um ihren Kopf.
    Sie eilte zur Tür, machte dann noch einmal kehrt und verschenkte eine weitere Minute, die sie brauchte, um in die Stiefel zu schlüpfen. Bevor sie das Haus endgültig verließ, überzeugte sie sich davon, dass unter dem Mantel weder von ihrem Schwertgurt noch von dem Kettenhemd etwas zu sehen war. Die Risse bereiteten ihr ein wenig Sorge. Aber auch das musste sie riskieren. Alt und matt, wie das Kettenhemd war, mochte es zumindest beim flüchtigen Hinsehen nicht auffallen.
    Während sie das Haus verließ, wunderte sie sich ein wenig über sich selbst. Ihre Umsicht war nur zu verständlich, hätte sie sich auf einen Kampf vorbereitet. Was aber nicht der Fall war. Sie lebten in gefährlichen Zeiten und in einem noch gefährlicheren Landstrich, doch dieses kleine Dorf stellte - ebenso wie eine Hand voll anderer Dörfer und Ansiedlungen im Umkreis eines halben Tagesrittes - eine Ausnahme dar. Niemand, der nicht entweder vollkommen verrückt oder lebensmüde war, würde es wagen, die Hand gegen einen seiner Bewohner zu erheben. Mochten die Assassinen unter Sheik Sinans Führung auch überall in der Welt gefürchtet und berüchtigt sein, hier war die unmittelbare Nähe ihrer Burg der sicherste Garant für das Wohlbefinden und die Freiheit ihrer Bewohner. Der Letzte, der es gewagt hatte, gegen dieses ungeschriebene Gesetz zu verstoßen, war Omar gewesen, der Sklavenhändler, der letzten Endes auch Robin gefangen und verschleppt hatte zusammen mit den Bewohnern genau dieses Dorfes; und er hatte einen so furchtbaren Preis dafür bezahlt, dass es seither nicht einmal mehr die gefürchteten türkischen Piraten gewagt hatten, sich der Küste auch nur auf Sichtweite zu nähern.
    Nein, es musste eine andere Erklärung geben, dachte Robin, während sie mit schnellen Schritten die schmale Gasse zwischen den ärmlichen Hütten zum Dorfplatz hinabeilte.
    Es gab sie nicht.
    Obwohl Robin instinktiv so gehandelt hatte, als hätte sie gewusst, was sie zu sehen bekommen würde, verblüffte sie der Anblick doch so sehr, dass sie mitten im Schritt verhielt und fast ungläubig die Augen aufriss.
    Auf dem kleinen Dorfplatz schienen sämtliche Bewohner zusammengekommen zu sein. Aber allem Anschein nach nicht freiwillig, und sie waren auch nicht allein. Inmitten des lockeren Kreises, den das knappe Hundert Männer, Frauen und Kinder bildete und der sie plötzlich auf unbehagliche Weise an den improvisierten Kampfplatz weiter unten am Strand erinnerte, auf dem Salim und sie vorhin so spielerisch ihre Kräfte gemessen hatten, hatte ein Trupp Bewaffneter Halt gemacht. Robin zählte sie hastig und kam auf elf; abgerissene Gestalten, die drei elende, halb verhungerte Klepper als
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