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Die Rückkehr der Templerin

Die Rückkehr der Templerin

Titel: Die Rückkehr der Templerin
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Zunge. »Du bist ein Weib.«
    »Und was genau soll mir das sagen?«
    Diesmal wirkte Sailas Kopfschütteln fast verärgert. »Wenn du dir unbedingt in den Kopf gesetzt hast, dich wie ein Mann mit Schwertern zu schlagen, dann ist es vielleicht auch besser, wenn du so unwissend wie ein Mann bleibst.«
    Fast empört drehte sich Saila um und wollte den Innenhof verlassen, stockte aber dann wieder im Schritt, als Nemeth hereinkam. Viel stärker noch als sie hatte sich das Mädchen verändert. Sie trug jetzt eine weite, rote Hose und darüber ein dunkelblaues Kleid, das sie wie eine kleine Erwachsene hätte aussehen lassen, wären ihre Haare nicht zu einem Dutzend lustiger Zöpfe geflochten. Robin hatte fast einen halben Tag damit zugebracht, und die andere Hälfte des Tages hatte Saila gebraucht, um sich auf- und wieder abzuregen und es ihrer Herrin zu verzeihen, ihre Tochter derart verunstaltet zu haben.
    »Sie hat Salim besiegt!«, jubelte das Mädchen. Ihr Gesicht glühte vor Aufregung. »Du hättest Robin sehen sollen! Sie kämpft wie ein Dschinn!«
    »Ja, das ist offensichtlich die Aufgabe, die Allah uns Frauen zugedacht hat«, antwortete Saila spöttisch. Der Blick, den sie Robin dabei zuwarf, wirkte allerdings fast wütend.
    »Aber Robin hat doch nur …«
    »Genug!«, unterbrach sie Saila in plötzlich gar nicht mehr spöttischem, sondern ganz im Gegenteil so scharfem Ton, als könnte sie sich gerade noch zusammenreißen, um ihre Tochter nicht anzuschreien. Sie griff nach Nemeths Zöpfen und tat so, als wolle sie sie daran ins Haus zurückschleifen. »Ich glaube, es ist an der Zeit, dir zu zeigen, was das Tagwerk einer Frau sein sollte, damit unsere Herrin dich nicht auf noch mehr dumme Gedanken bringt. Ich möchte nicht, dass du so endest wie sie.«
    Nemeth wirkte erschrocken und zugleich durch und durch verstört, und Sailas letzte Worte hatten Robin verletzt. Dennoch warf sie dem Mädchen ein verschwörerisches Augenzwinkern zu, bevor es zusammen mit seiner Mutter im Haus verschwand. Für eine Frau, die in dieser Welt mit ihren komplizierten und gerade für Frauen manchmal entwürdigend erscheinenden Regeln und Verhaltensweisen aufgewachsen war, benahm sich Saila manchmal überraschend aufgeschlossen und fortschrittlich, aber sie konnte auch nicht aus ihrer Haut.
    Und Robin war nicht sicher, ob sie ihr einen Gefallen damit täte, sie dazu zu zwingen. Auch wenn sie sich im Moment kein anderes Leben vorstellen konnte, so war ihr doch klar, dass sie möglicherweise nicht in dieser Gegend bleiben würde; Saila und ihre Tochter aber sehr wohl. Die vermeintliche Freiheit des Denkens, die sie dem Mädchen in den letzten Monaten beizubringen versucht hatte, mochte sich durchaus als Fluch erweisen, statt als Geschenk, wenn sie irgendwann einmal nicht mehr hier war, um sie zu beschützen.
    Robin fühlte sich mittlerweile besser. Das verhältnismäßig kühle Wasser - vor allem aber das Gespräch mit Saila und der Anblick ihrer Tochter - hatten ihr gut getan. Dafür breitete sich eine sonderbare Melancholie in ihr aus. Entspannt an den Baum gelehnt blieb sie stehen und beobachtete nachdenklich das Spiel von Licht und Schatten in der tausendfingrigen Baumkrone. Der Anblick erschien ihr wie die Versinnbildlichung des Wort Gottes, die Welt sei ein Spiel von Licht und Schatten, die beständig ineinander fließen und oft genug in einem Lidschlag ihre Plätze tauschen.
    Sie fragte sich, welchen Platz sie in dieser Welt wohl hatte. War sie Licht oder Schatten, oder hatte Saila vielleicht Recht, und sie hatte sich gegen Gottes Willen vergangen, indem sie nicht nur kämpfte, sondern die meiste Zeit auch lebte wie ein Mann? Vielleicht war es ihr auf Sheik Sinans Burg einfach zu gut gegangen. Sie war so glücklich wie niemals zuvor in ihrem Leben gewesen, und verliebt. So verliebt, dass sie selbst das für die Christenheit so wichtige Osterfest vergessen hatte, wie sie sich mit einem leisen Gefühl von schlechtem Gewissen eingestehen musste. Es war Salim, der Heide, gewesen, der sie an die Bedeutung dieses Tages hatte erinnern müssen.
    Nein, sie war niemals eine fan a ti s che Christin gewesen, und jetzt war sie vielleicht auch keine gu t e Christin mehr. Vielleicht gar keine, tief in sich drinnen. Möglicherweise war das sogar der Grund, aus dem sie darauf bestanden hatte, hierher ins Dorf zurückzukehren, wo das Leben um so vieles einfacher war. Fast so einfach wie in ihrem Dorf in Friesland, das eine halbe Welt und ein ganzes
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