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Die rote Agenda

Die rote Agenda

Titel: Die rote Agenda
Autoren: Liaty Pisani
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hatte Elvira überzeugt, sie zu begleiten, um sie
beim Treffen mit Lorenzo Malacrida moralisch zu unterstützen.
    Sie hatten
Trapanis Wohnung fast erreicht, als der warme Wind, der bis dahin geweht hatte,
stärker wurde, die Lichtmasten schwanken ließ, die Palmen bog und die Fahnen
von ihren Masten riss. Das Meer kräuselte sich in zahlreichen kleinen Wellen,
das gepeitschte Wasser verdichtete sich wütend in weißen Schaumflocken, die
über die Wellen flogen, und von den Bergen wälzten sich riesige Haufen dunkler
Wolken auf die Stadt zu. Für ein paar Minuten wurde es dunkel wie im Winter,
dann ließ diese schwarze Glocke die Häuser und den Hafen hinter sich und setzte
ihren Weg zum Meer fort.
    Die Wagen
der Kolonne des Präsidenten befanden sich auf halbem Weg in der Mitte der
Brücke, als der erste heftige Windstoß, später auf eine Geschwindigkeit von
über [400]  zweihundert Stundenkilometern berechnet, sie ins Schleudern brachte.
Der zweite, noch stärkere Windstoß traf den Geländewagen, in dem der Präsident
saß, von der Seite und schob ihn über mehrere Meter bis ans Geländer.
    Messina lag
erneut im Sonnenlicht, doch über dem Meer wurde der Himmel umso schwärzer, je
mehr sich die vom Wind getriebenen schweren Wolkenhaufen über der Meerenge
verdichteten.
    Plötzlich
tauchte etwas Dunkles aus den Wolken auf, einem Finger gleich, der aufs Meer
zeigte, ein schwarzer, wirbelnder Kegel, der in wenigen Augenblicken zu einer
gigantischen Windhose wurde. Im Hafen begannen die Sirenen zu heulen, die Boote
machten kehrt und fuhren mit höchster Geschwindigkeit zurück zur Küste, während
die Hubschrauber in alle Richtungen davonflogen – wie hektische Insekten vor
einem gefräßigen großen Vogel flohen.
    Die
Windhose traf die Brücke, und sie begann zu schwanken: wie das Band einer
Turnerin, zuerst mit fast graziösen Bewegungen, dann immer ruckartiger. Von
ihrer Insel aus, die der Katastrophe entgangen war, beobachteten die Einwohner
von Messina bestürzt dieses furchtbare und zugleich faszinierende Schauspiel,
während die Kameraleute weiterfilmten und dabei die im Auge des Sturms
eingeschlossene Kolonne des Präsidenten so weit heranzoomten, wie es ging.
    Die
Windhose wirbelte über den Autos wie ein verrücktes Füllhorn, ging dann auf sie
nieder und zog einen der Geländewagen in ihren Sog. Der Wagen verschwand in
ihren Wirbeln, um dann wieder aufzutauchen, ein kleiner, schwarzer,
verschwommener Fleck, der in den Himmel geschleudert wurde. Nach wenigen,
unendlichen Augenblicken [401]  spie das Monster ihn aus und warf ihn – Richtung
Kalabrien – ins Meer.
    Doch es war
noch nicht zu Ende. Irgendetwas traf die Brücke und mit ihr die übrigen Wagen,
und eine Explosion erleuchtete den violettfarbenen Himmel. Die Rakete hatte ihr
Ziel erreicht, die restlichen Autos vernichtet und die Brücke gesprengt, als
wäre sie ein Kinderspielzeug aus Plastik.

[402]  65
    Ogden
und Stuart hatten die Szene von der Mole des Hafenamts aus verfolgt.
    In den
langen Minuten nach der Explosion schien die Zeit stehengeblieben zu sein, und
Stille legte sich wie ein Mantel über die Stadt, als warteten alle auf ein neues
Unglück. Dann, wie in einem Film, der nach einem Standbild weiterläuft,
begannen die Sirenen zu heulen, die Hubschrauber zu fliegen, die Polizeiboote
durch die Meerenge zu rasen. Messina war anscheinend heil davongekommen, alles
hatte sich dort unten ereignet, in der Mitte der Meerenge, zwischen Skylla und
Charybdis.
    Die Stadt
Zancle lag in strahlendem Sonnenlicht, und ein paar Wolken, weiß und harmlos,
zogen in die Ferne, zum Tyrrhenischen Meer.
    »Was für
ein Finale«, sagte Ogden.
    »Man hätte
sich auf das Attentat beschränken können, statt auch noch den Zorn der Götter
zu bemühen«, bemerkte Stuart.
    Ogden
nickte. »Offensichtlich kann nicht einmal die Elite gegen die Nemesis die
Oberhand gewinnen. Und da die Italiener eher abergläubisch als religiös sind,
werden sie das biblische Ende ihres Präsidenten mit Sicherheit als eine Strafe
Gottes interpretieren und von jetzt an Beschwörungsformeln murmeln, wenn er nur
erwähnt wird.«
    [403]  »Jedenfalls
werden alle zufrieden sein«, fuhr Stuart fort. »Die von Alimante in die Wege
geleiteten Ermittlungen dürften das Andenken an den Präsidenten so stark
beschädigen, dass niemand in der Dritten Republik auf die Idee kommen wird,
sich gegen die Elite zu stellen. Und der Pate kann, nach dem großartigen
Abschluss seiner Karriere, glücklich
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