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Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov

Titel: Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov
Autoren: Sergej Lukianenko
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Selbstverständlich konnte man damit wesentlich heftiger zuschlagen als mit einem dünnen Holzschwert.
    Wir verließen unsere Kammer und folgten einem schmalen Gang, der wie die gesamte Burg aus rosa Marmor bestand. Maljok lief voraus, stieß sämtliche Seitentüren auf und kreischte irgendeinen Unsinn hinein. Das waren die Kammern der anderen Jungen, in denen sich jedoch niemand aufhielt.
    »Was machen die anderen denn auf den Brücken?«, erkundigte ich mich.
    »Sie halten Wache, damit uns keiner angreifen kann«, erwiderte Maljok, der jetzt bestens gelaunt war.
    Wir stiegen eine Treppe hinunter, die zu den unteren Räumen führte. Nachdem wir den Thronsaal passiert hatten, gelangten wir am Ende des Gangs zur Küche, deren hölzerne Tür sperrangelweit offen stand.
    Maljok steckte den Kopf hinein und trompetete los: »Huhu, Rita, der hungrige Stamm der Wasserindianer geht zum Meer!«
    »Geht nur«, gab Rita gelassen zurück. An Maljoks schrilles Organ war sie offenbar schon gewöhnt. »Aber
in zwei Stunden räume ich das Frühstück weg, danach gibt’s nichts mehr bis zum Mittagessen.«
    Inzwischen hatte ich mich neben Maljok geschoben und lugte neugierig in den Raum. Rita stand an einem wuchtigen Holztisch und war damit beschäftigt, Brot aufzuschneiden. Sie sah von ihrer Arbeit auf und lächelte zu uns herüber.
    »Guten Morgen, Dima!«, rief sie. »Gut geschlafen?«
    »Ja danke, guten Morgen«, gab ich etwas schüchtern zurück.
    »Macht, dass ihr an den Strand kommt.« Rita strahlte mich an. »Heute ist ja dein erster Tag, Dima, und am ersten Tag hat man traditionell frei.«
    »Und ich bin heute als Dimas Begleiter eingeteilt und habe deshalb auch frei!«, verkündete Maljok.
    Wir winkten Rita zum Abschied kurz zu und verließen die Burg durch das schwere Eisentor, das beim Öffnen und Schließen jämmerlich quietschte. Augenblicke später tobten wir bereits ausgelassen im warmen, salzigen Meer. Die Vormittagssonne schien kraftvoll vom Himmel und ließ ihr gleißendes Licht auf den Wellen tanzen. Wir blieben so lange im Meer, bis es uns selbst im warmen Wasser kalt wurde und ich mir ernsthaft Sorgen zu machen begann, wir könnten das Frühstück verpassen.
    Maljok blickte prüfend zum Himmel. »Dem Sonnenstand nach zu schließen«, schlaumeierte er, »können wir uns locker noch ein halbes Stündchen in der Sonne wärmen.«
    Unter der rosa Burgmauer legten wir uns rücklings in den Sand, und zwar so, dass unsere Gesichter im Schatten lagen, während unsere Körper in der Sonne bräunten.

    »Wie heißt du eigentlich mit richtigem Namen, Maljok?«, fragte ich.
    »Igor. Aber es gibt hier noch drei andere Igors außer mir, da ist der Spitzname ganz praktisch.«
    Den Kopf etwas zur Seite gedreht, musterte ich den kleinen Jungen aus dem Augenwinkel. Plötzlich fiel mir auf, dass er genau so aussah, wie ich mir den kleinen Lillebror aus Astrid Lindgrens Karlsson-Büchern immer vorgestellt hatte.
    »Hast du Karlsson auf dem Dach gelesen?«, konnte ich mir nicht verkneifen zu fragen.
    »Nö«, entgegnete er etwas betreten. »Als ich hier ankam, konnte ich noch nicht lesen. Und hier gibt es diese Bücher nicht. Aber Rita hat mir davon erzählt.«
    »Maljok, erklär mir noch mal die Regeln des Großen Spiels«, bat ich.
    Mein Begleiter seufzte tief auf, wie ein Lehrer, der es mit einem vollkommen begriffsstutzigen Schüler zu tun hat.
    »Also gut. Ziel des Spiels ist es, die anderen Inseln zu erobern.« Maljok sprach etwas gestelzt, wie ein Erwachsener. »Als Waffen werden Schwerter und Dolche eingesetzt. Der Lange Igor hat auch eine Armbrust.«
    »Mit Holzpfeilen?«
    »Logisch. Man darf sich nicht mit den Rittern einer anderen Insel absprechen und sie absichtlich gewinnen lassen. Und nachts darf nicht gekämpft werden.«
    »Warum?«, fragte der begriffsstutzige Schüler.
    »Nachts öffnet sich ein Spalt in den Brücken. Verstehst du, die Brücken sind aus einem Stein gemacht, der sich bei Erwärmung ausdehnt. In der Mitte jeder Brücke ist ein Spalt. Wenn sich die Brücken am Morgen aufheizen,
schließt sich der Spalt, und die Brücke ist durchgehend. Sobald aber die Sonne untergeht oder wenn sehr trübes Wetter ist, schieben sich die Brückenhälften auseinander. Dabei entsteht ein etwa vier Meter breiter Zwischenraum, den man nicht überspringen kann. Und man darf es auch gar nicht versuchen, sondern muss das Spiel sofort beenden.«
    »Und wenn man trotzdem drüberspringt?«, bohrte ich nach.
    Maljok sah mich zornig
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