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Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov

Titel: Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov
Autoren: Sergej Lukianenko
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hochrot vor Anstrengung. Er mochte schätzungsweise dreißig Jahre alt sein, war ziemlich dick, trug ein dunkel kariertes Hemd und eine weite Schlabberhose.
    Was dieser Kerl wohl von mir wollte?, überlegte ich und nahm gleichzeitig den Verkehrslärm von der Straße und das endlose Geplapper alter Frauen auf einer Parkbank wahr. Hier konnte ja wohl kaum etwas Außergewöhnliches passieren, am Eingang des Parks, um die Mittagszeit an einem heißen Sommertag, vor allen Leuten. Das dachte ich damals.
    Der Mann mit der Fototasche blieb keuchend vor mir stehen, strich sich die Haare aus dem Gesicht, lächelte zufrieden und fragte: »Junge, willst du dich für die Zeitung fotografieren lassen?«
    Um ehrlich zu sein, auf so eine Frage gibt es nur eine Antwort. Der Mann wartete mein Einverständnis auch gar nicht erst ab. Hektisch hantierte er an seiner Kamera und redete ununterbrochen auf mich ein. Er sei Reporter der Stadtzeitung, es ginge um einen großen Artikel über die Jugend in unserer Stadt, und natürlich bräuchte man dazu ein paar anständige Fotos von jungen Leuten. Irgendetwas an mir hatte dem Journalisten anscheinend gefallen, und nun wollte er unbedingt ein Foto von mir für seinen Artikel.
    Ich hatte noch nie im Leben einen richtigen Zeitungsreporter gesehen, aber auf jeden Fall hätte ich mir so jemanden anders vorgestellt, sicher nicht so verschwitzt und zerzaust. Wenn mich dieser Typ gefragt hätte, ob ich ihn zu einem anderen Platz begleiten würde, um das Foto zu machen, hätte ich das garantiert abgelehnt - es gibt ja solche und solche Leute. Der Reporter jedoch fand den belebten Park mit den neugierigen alten Frauen und einem
ganz in der Nähe postierten Polizisten mehr als geeignet für sein Vorhaben.
    Allem Anschein nach bin ich wirklich ausgesprochen fotogen, das behauptete auch meine Klassenkameradin Inga, ein sehr nettes und kluges Mädchen übrigens. Allerdings weiß man bei ihr nie so recht, ob sie etwas ernst meint oder nur im Scherz sagt. Manchmal streite ich mich deswegen sogar mit ihr.
    Der Reporter nahm mich mit seiner Kamera ins Visier. Um seinen Mund spielte ein eigenartiges Grinsen. Ich dachte, so sehe ich aus, wenn ich mich schuldig fühle, mich aber nicht traue, etwas zuzugeben. Mit einem Mal bekam ich Angst. Doch der Finger des Reporters senkte sich bereits auf den Auslöser.
    Die Kamera klackte. Sie klackte außergewöhnlich laut, das Auslösergeräusch normaler Kameras ist viel leiser.
    Und dann wurde es dunkel.

2
    DIE BURG DES SCHARLACHROTEN SCHILDES
    Die Dunkelheit schloss mich von allen Seiten ein. Ich wollte schreien, aber ich konnte nicht, versuchte, mich zu bewegen - vergeblich. Um mich herum waren nur Dunkelheit und Kälte, sonst nichts. Mich überkam ein völlig taubes Gefühl, als wäre ich selbst nicht mehr da.
    Dann explodierte die Dunkelheit. Es war wirklich eine richtige Explosion mit einem lauten Knall, ich wurde herumgewirbelt und stellte erleichtert fest, dass ich meinen Körper wieder spüren konnte. Im selben Augenblick jedoch gewahrte ich mit Schrecken, dass ich keinen Boden unter den Füßen hatte.
    Ich schwebte in der Luft, etwa zehn Meter über dem Boden des P... Nein, nicht des Parks. Der Park war nicht mehr da! Unter mir befand sich eine etwa zwei Kilometer breite, rosafarbene Insel mit einem kleinen, runden See in der Mitte. An ihren sandigen Ufern standen einige fremdartig anmutende Bäume mit kleinen, dunkelgrünen Blättern. Nichts regte sich. Rund um die Insel erstreckte sich bis zum Horizont tiefblau und erhaben das Meer, gischtweiße Wellenkämme hingen wie erstarrt in der Luft.
    Auf einmal geriet alles in Bewegung: Die Wellen machten einen Ruck und rauschten über den Sand. Plötzlich war es auch nicht mehr kalt. Stattdessen umströmte mich selbst für den Sommer ungewöhnlich warme Luft, und salzige, ja fast etwas zu salzige Wasserspritzer klatschten mir ins Gesicht.

    Ich befand mich im freien Fall. Im heißen Luftstrom drehte es mich zur Seite und in dieser seitlichen Lage, mit gerade noch rechtzeitig ausgestreckten Armen, schlug ich auf dem Ufer der Insel Nr. 36 auf.
    Die Schmerzen waren so heftig, dass mir die Tränen kamen, noch bevor ich wieder völlig bei Bewusstsein war.
    Dann berührte etwas Kühles meine Stirn, und ich hörte eine leise Stimme sagen: »Wenn er stirbt, ist es deine Schuld, Chris. Ich hatte gestern noch gesagt, dass der Landeplatz zu klein ist.«
    Es war eine zarte, etwas ärgerlich klingende Mädchenstimme. Im ersten
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