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Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov

Titel: Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov
Autoren: Sergej Lukianenko
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Jungen auf der Brücke zu helfen! Es spielte doch gar keine Rolle, ob man mit dem Schwert umgehen konnte oder nicht. Die anderen waren schließlich auch nur Spielzeugritter! Möchtegernmusketiere mit Holzschwertern, die sich im schlimmsten Fall gegenseitig ein paar blaue Flecken verpassen würden, pah! Guten Mutes rannte ich hinter Maljok her. An meinem Gürtel baumelte das Schwert, das er mir am Morgen gezeigt hatte.
    Der Scheitelpunkt der Brücke, den wir nun fast erreicht hatten, wies die Form eines flach gewölbten Buckels auf. Der Anstieg führte zwar nicht allzu steil hinauf, trotzdem blieb uns das Kampfgeschehen bis zum letzten Moment verborgen. Der Wind blies immer stärker, was nicht weiter verwunderlich war, befanden wir uns inzwischen doch mindestens hundert Meter über dem Meer. Ich versuchte, nicht nach unten zu blicken, bemerkte aber mit Schaudern, dass die Brücke in den Windböen zu schwanken begann. Wie konnte man nur eine kilometerlange Brücke ohne einen einzigen Stützpfeiler bauen?
    Mir blieb keine Zeit, länger darüber nachzusinnen, denn nun konnten wir den höchsten Punkt der Brücke sehen und begriffen sofort, was sich hier oben abspielte.
    Unsere Gefährten hatten das Glück, dass auf der schmalen Brücke immer nur zwei Mann nebeneinander kämpfen konnten, sonst wären sie zahlenmäßig längst erdrückt worden. Denn von der feindlichen Insel stürmten mindestens zehn Kämpfer auf sie ein. Die Angreifer waren genauso braun gebrannt und spartanisch gekleidet wie wir. Einen wesentlichen Unterschied gab es aber
doch: In ihren Händen hielten sie echte Schwerter aus erbarmungslos funkelndem Stahl!
    Mit eingefrorenem Blick starrte ich auf die scharf geschliffenen Klingen unserer Gegner, und mein Herz begann wild zu pochen. Was sollte das denn für ein Spiel sein? Das war doch der blanke Hohn! Die anderen kämpften mit echten, todbringenden Schwertern und wir mit Holzspielzeug. Am liebsten hätte ich meinen Frust über diese zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit herausgebrüllt, aber mir war klar, dass dies völlig sinnlos war. Im selben Moment ereignete sich etwas, das mir die Sprache verschlug: Einer der Angreifer holte aus, und sein Schwert zischte auf Chris herab, der sich in diesem Moment allein den Feinden in den Weg stellte. Seine Mitstreiter Janusch und Tolik standen aus irgendeinem Grund hinter ihm. Chris machte keinerlei Anstalten, dem Schlag auszuweichen, sondern hob seinerseits das Schwert, um ihn abzuwehren. Ich war mir sicher, dass die blitzende Stahlklinge das Holzschwert durchtrennen und Chris im Gesicht treffen würde.
    Die beiden Schwerter, aus Stahl das eine, aus Holz das andere, rauschten klirrend ineinander. Funken flogen. Jetzt machte Chris einen Satz nach vorn und schlug seinerseits zu. Sein Schwert sauste auf den Gegner herab, drängte dessen Klinge zur Seite und traf ihn an der Schulter. Der Angreifer, ein Junge in meinem Alter, schrie plötzlich auf. Er brüllte wie am Spieß. So schreit man eigentlich nicht, wenn man von einem Holzstück getroffen wird. Selbst Chris wich einen Schritt zurück, und Maljok, der neben mir stand, saugte, die Zähne zusammengebissen, zischend Luft ein, als spürte er selbst den Schmerz. Langsam sank der getroffene Junge auf den
Marmorplatten der Brücke zusammen. An seinem Arm rann Blut herab. Echtes Blut. Auch Chris’ Schwert war mit dem roten Saft besudelt.
    Chris zog sich zurück, und der Kampf hielt inne. Der blutüberströmte Junge kauerte auf dem Boden. Endlich stürzten seine Gefährten zu ihm und zogen ihn aus der Gefechtslinie.
    Nun musterte ich Chris’ Kampfgefährten noch einmal aufmerksam, und da bemerkte ich, dass Janusch sein Schwert nicht zufällig in der linken Hand hielt. Seine rechte Hand war mit einem blutgetränkten Lappen umwickelt. Und Tolik hielt sich die Hand nicht zum Spaß an den Bauch, er tat es genau so, wie sich Soldaten in Kriegsfilmen eine Wunde zuhalten. Aber wir waren doch keine Soldaten!
    Chris drehte sich um. Er sah sehr besorgt aus. Als er Maljok und mich bemerkte, hellten sich seine Züge auf, und er winkte uns erleichtert zu. Maljok lief zu ihm, während ich mich nicht von der Stelle rührte.
    Wir waren doch keine Soldaten!
    Die Ritter von der Insel Nr. 24 griffen erneut an. Chris und Maljok kämpften jetzt Seite an Seite. Es war äußerst beeindruckend, wie geschickt unser kleinster Kämpfer mit dem Schwert umgehen konnte. Natürlich fehlte ihm die Kraft, um den Schlag eines fast erwachsenen Kerls
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