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Die Revolte des Koerpers

Die Revolte des Koerpers

Titel: Die Revolte des Koerpers
Autoren: Alice Miller
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des Körpers wird nicht lange auf sich warten lassen, dessen Mitteilungen werden immer verständlicher für ihn werden, sie hören auf, in rätselhaften Symptomen zu sprechen. Er wird dann entdecken, daßseine Therapeuten sich und ihn (oft ungewollt) getäuscht haben, denn die Vergebung verhindert geradezu die Vernarbung der Wunden, von deren Heilung schon gar nicht zu sprechen. Und sie ist niemals in der Lage, den Wiederholungszwang aufzulösen. Das kann jeder an sich selbst feststellen.
     
    Ich versuchte in diesem Buch zu zeigen, daß einige angeblich richtige Ansichten längst von der Erfahrung überholt wurden. Dazu gehören beispielsweise die Überzeugungen, daß die Vergebung eine Heilung bewirke, daß ein Gebot wahre Liebe erzeugen könne oder daß das Vortäuschen von Gefühlen mit der Forderung nach Ehrlichkeit vereinbar wäre. Mit meiner Kritik an solch irreführenden Ideen will ich indes keinesfalls sagen, ich würde überhaupt keine moralischen Werte anerkennen oder die Moral als Ganzes ablehnen.
    Ganz im Gegenteil, gerade weil mir bestimmte Werte wie Integrität, Bewußtheit, Verantwortung oder Treue zu sich selbst so wichtig sind, habe ich Schwierigkeiten mit der Verleugnung von Realitäten, die mir offensichtlich erscheinen und empirisch nachweisbar sind.
    Die Flucht vor dem in der Kindheit erfahrenen Leiden läßt sich sowohl im religiösen Gehorsam beobachten als auch im Zynismus, in der Ironie und in anderen Formen der Selbstentfremdung, die sich unter anderem als Philosophie oder Literatur tarnen. Doch letztlich rebelliert der Körper. Selbst wenn er sich vorübergehend mit Hilfe von Drogen, Zigaretten und Medikamenten ruhigstellen läßt, behält er gewöhnlich doch das letzte Wort, weil er den Selbstbetrug schneller durchschaut als unser Verstand, insbesondere wenn dieser dazu erzogen wurde, im falschen Selbst zu funktionieren. Man mag die Botschaftendes Körpers ignorieren oder über sie spotten, aber es lohnt sich auf jeden Fall, seine Revolte zu beachten. Seine Sprache ist nämlich der authentische Ausdruck unseres wahren Selbst und der Kraft unserer Lebendigkeit.

Nachwort
 
»Die Revolte des Körpers«
– Eine Herausforderung
     
    Fast all meine Bücher haben gegensätzliche Reaktionen bewirkt, doch bei diesem Buch fällt gerade die emotionale Intensität auf, mit der dessen Ausführungen bestätigt oder abgelehnt werden. Ich habe den Eindruck, daß diese Intensität indirekt zum Ausdruck bringt, wie nahe oder wie fern sich der Leser sich selbst gegenüber befindet.
    Nachdem Die Revolte des Körpers im März 2004 erschienen ist, schrieben mir viele Leser, sie seien froh, sich nicht länger zu Gefühlen zwingen zu müssen, die sie in Wahrheit nicht empfinden würden. Sie seien auch froh, sich endlich die Gefühle nicht verbieten zu müssen, die immer wieder unverändert in ihnen entstünden. Doch in manchen Reaktionen, vor allem in der Presse, fand ich häufig ein grundsätzliches Mißverständnis, zu dem ich möglicherweise selbst beigetragen habe, indem ich das Wort Mißhandlung in einem viel weiteren Sinn gebrauchte, als dies üblich ist.
    Wir sind gewohnt, mit diesem Wort das Bild eines womöglich am ganzen Körper Versehrten Kindes zu verbinden, dessen Wunden eindeutig auf die erlittenen Verletzungen hinweisen. Was ich aber in diesem Buch beschreibe und mit dem Begriff Mißhandlung benenne, sind vielmehr Verletzungen der seelischen Integrität des Kindes, die zunächst unsichtbar bleiben. Deren Folgen werden oft erst nach Jahrzehnten registriert, und auch dann wird der Zusammenhang mit den in der Kindheit erfahrenen Verletzungen nur selten gesehen und ernst genommen. Sowohl die Betroffenen selbst als auch die Gesellschaft (Ärzte, Anwälte, Lehrer und leider auch viele Therapeuten) wollen von den Ursachen der späteren »Störungen« oder des »Fehlverhaltens«, die in der Kindheit liegen, nichts wissen.
    Wenn ich diese unsichtbaren Verletzungen Mißhandlungen nenne, stoße ich häufig auf Widerstand und auf laute Empörung. Diese Gefühle kann ich gut nachempfinden, weil ich sie sehr lange teilte. Ich hätte früher heftig protestiert, wenn man mir gesagt hätte, daß ich ein mißhandeltes Kind gewesen war. Erst jetzt weiß ich mit Bestimmtheit, dank Träumen, meiner Malerei und nicht zuletzt dank der Botschaften meines Körpers, daß ich als Kind über Jahre seelische Verletzungen hinnehmen mußte, aber dies als Erwachsene sehr lange nicht wahrhaben wollte (s. S. 24). Wie so viele
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