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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte
Autoren: Reginald Hill
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einem sehr schnellen Auto eine ausgefallene Idee wäre, ausgerechnet hier zu vespern. Außerdem ist es das dritte, nein, ich glaube, das vierte Mal, daß ich Sie im Lauf der letzten Woche in meiner Nähe gesehen habe.«
    Zum ersten Mal hatte er ihn am frühen Abend auf der Heimfahrt von der Mid-Yorkshire-Polizeizentrale auf der Straße bemerkt. Ein paar Tage später war er mit Ellie ins Kino gegangen, und als sie nach der Vorstellung aufstanden, hatte er Roote fünf oder sechs Reihen hinter sich entdeckt. Und letzten Sonntag bei einem Spaziergang mit seiner Tochter Rosie im Charter Park, wo sie Schwäne fütterten, hatte er eine schwarzgekleidete Gestalt erspäht, die auf der Bühne des unbenutzten Musikpavillons stand.
    Da hatte er sich vorgenommen, in Sheffield anzurufen, aber am Montag war dafür keine Zeit gewesen, und am Dienstag erschien ihm die Angelegenheit bereits zu trivial, um so viel Aufhebens davon zu machen. Jetzt aber, am Mittwoch, tauchte der Kerl wie ein schwarzer Unglücksvogel wieder auf, und diesmal in unmittelbarer Nähe, daß es kein bloßer Zufall sein konnte.
    »Oh, Mann, jetzt hab’ ich’s. Ja, Sie sind mir auch schon ein paarmal aufgefallen, und als ich Sie gerade eben aus dem Staff Club kommen sah, dachte ich, nur gut, daß du nicht paranoid bist, Franny, alter Junge, sonst würdest du jetzt denken, daß Chief Inspector Pascoe dich beschattet.«
    Das war eine wirklich atemberaubende Verdrehung der Tatsachen.
    Aber auch eine Warnung, mit größter Vorsicht vorzugehen.
    »Dann ist es also für uns beide nur ein Zufall«, sagte Pascoe. »Der Unterschied ist aber der, daß ich hier wohne und arbeite.«
    »Ich auch«, erwiderte Roote. »Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich schon mal anfange? Ich hab’ nur eine Stunde Zeit.«
    Er biß kräftig in sein Baguette. Seine Zähne waren makellos, von einer beinahe künstlichen Regelmäßigkeit und so leuchtend weiß, daß sie auf einer Hollywood-Gala wunderbar die Blitzlichter reflektiert hätten. Die zahnärztliche Versorgung bei Strafgefangenen mußte sich in den letzten Jahren erheblich verbessert haben.
    »Sie wohnen und arbeiten hier?« fragte Pascoe. »Seit wann?«
    Roote kaute und schluckte.
    »Seit ein paar Wochen«, antwortete er.
    »Und warum?«
    Roote lächelte. Wieder die Zähne. Er war wirklich ein hübscher Junge gewesen.
    »Ich würde sagen, ich habe es eigentlich Ihnen zu verdanken, Mr. Pascoe. Ja, eigentlich sind Sie der Grund dafür, daß ich zurückgekommen bin.«
    Ein Eingeständnis? Womöglich ein Geständnis? Nein, nicht von Franny Roote, der stets die Fäden in der Hand behielt. Selbst wenn man mitten in der Szene das Drehbuch änderte, blieb er der Regisseur des Ganzen.
    »Was soll das heißen?« fragte Pascoe.
    »Wissen Sie, nach dem kleinen Mißverständnis in Sheffield habe ich meine Stelle im Krankenhaus verloren. Nein, bitte denken Sie nicht, daß ich Ihnen die Schuld zuschieben will, Mr. Pascoe. Sie haben nur Ihre Arbeit getan, und es war meine Entscheidung, mir die Handgelenke aufzuschneiden. Aber die Leute im Krankenhaus schlossen offenbar daraus, daß ich krank sei, und kranke Menschen sind in einem Krankenhaus natürlich am wenigsten willkommen. Es sei denn, sie liegen flach. Und kaum hatte man die Anschuldigungen fallengelassen, da ließen mich auch meine Arbeitgeber fallen.«
    »Tut mir leid«, meinte Pascoe.
    »Nein, bitte, wie gesagt, Sie tragen keine Verantwortung. Auf jeden Fall hätte ich dagegen angehen können, der Betriebsrat hätte eine Lanze für mich gebrochen, und alle meine Freunde waren sehr hilfsbereit. Ja, ich bin mir sicher, das Arbeitsgericht hätte zu meinen Gunsten entschieden. Aber es schien mir der richtige Zeitpunkt für einen Tapetenwechsel. Ich bin da drinnen nicht religiös geworden, Mr. Pascoe, nicht in dem Sinne, aber ich bin zu der Einsicht gelangt, daß es für alle Dinge unter der Sonne den richtigen Zeitpunkt gibt, und ein Mensch, der die Zeichen nicht beachtet, schlecht beraten ist. Also machen Sie sich keine Gedanken.«
    Er bietet mir Absolution an! dachte Pascoe. Einen Augenblick fletsche ich bedrohlich die Zähne, im nächsten liege ich auf den Knien und werde von meinen Sünden freigesprochen!
    »Das erklärt immer noch nicht …«, wandte er ein.
    »Warum ich hier bin?« Roote biß noch einmal ab, kaute, schluckte. »Ich arbeite für die Gärtnerei der Universität. Ist was ganz anderes, ich weiß, aber die Veränderung ist mir recht angenehm. Als Krankenhauspförtner
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