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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte
Autoren: Reginald Hill
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Sache. Diesmal aber, als er auf einer sanft abfallenden Straße zu husten begann, wußte ich, daß es wirklich ernst war. Und tatsächlich blieb er auf der nächsten Steigung, eigentlich nur dem unbedeutenden Buckel einer kleinen Brücke, keuchend stehen.
    Ich stieg aus und stieß die Tür mit einem Fußtritt zu. Es hatte keinen Sinn, unter die Motorhaube zu sehen. Motoren, wenn auch lateinischer Abkunft, sind mir böhmische Dörfer. Ich setzte mich auf die niedrige Brüstung der Brücke und versuchte, mich zu entsinnen, wie weit es zum nächsten Haus oder Telefon war. Ich konnte mich aber nur an einen Wegweiser erinnern, der verkündete, es seien noch fünf Meilen bis zu der Ortschaft Little Bruton. Es erschien mir besonders ungerecht, daß ein Wagen, der einen Großteil seiner Zeit in der Stadt verbracht hatte, in dem wohl am dünnsten besiedelten Landstrich im Umkreis von zehn Meilen seine Dienste verweigerte.
    Murphys Gesetz – so nennt man das doch? Daran jedenfalls dachte ich, bis sich zum Zwitschern der Vögel und dem Plätschern des Wassers ein neues Geräusch gesellte und ich auf der schmalen Landstraße einen leuchtendgelben Wagen der Automobile Association nahen sah.
    Jetzt fragte ich mich allmählich, ob anstelle von Murphy nicht doch Gott die Hand im Spiel hatte.
    Ich winkte ihm, anzuhalten. Er war unterwegs, um in Little Bruton Starthilfe zu leisten, wo ein armer Lohnsklave, gerade erwacht, noch viele Meilen vor sich hatte, bevor er sich wieder zur Ruhe legen konnte. Und da mußte er feststellen, daß sein Motor noch geringere Neigung zum Aufbruch in den Tag verspürte als er selbst.
    »Motoren schlafen eben auch gerne aus«, meinte mein Retter vergnügt.
    Er war überhaupt ein fröhlicher Geselle, der gerne Scherze machte, ein wunderbares Aushängeschild für die AA . Auf seine Frage, ob ich Mitglied sei, erklärte ich ihm, meine Mitgliedschaft sei erloschen. Er aber grinste nur und meinte: »Macht nichts. Ich bin auch kein Katholik mehr, doch ich kann ja jederzeit in den Schoß der Kirche zurückkehren, wenn es hart auf hart kommt, stimmt’s? Dasselbe gilt für Sie. Vielleicht treten Sie ja wieder bei, was?«
    »Oh ja«, erwiderte ich inbrünstig. »Wenn Sie diesen Wagen wieder in Gang bringen, trete ich vielleicht auch noch in die Kirche ein!«
    Und das meinte ich ernst. Nicht unbedingt, was die Kirche betraf, aber sicherlich die AA .
    Doch schon da, ja, eigentlich seit dem Moment, als ich seinen Wagen erblickt hatte, fragte ich mich, ob sich hier nicht die Chance bot, mehr als nur meinen Motor in Gang zu bringen.
    Aber wie sollte ich Gewißheit erlangen? Ich spürte, wie meine Unruhe wuchs, bis ich sie mit dem tröstlichen Gedanken dämpfte, daß mir zwar alles nebulös erscheinen mochte, daß aber der Autor meines Großen Abenteuers diese erste Seite keinesfalls durch Unklarheiten trüben werde.
    Der Mann von der AA erwies sich als sehr mitteilsam. Wir machten uns miteinander bekannt. Als ich seinen Namen hörte, wiederholte ich ihn bedächtig, und er lachte und mahnte mich, keine Witze zu reißen, er kenne sie alle schon. Er erzählte mir alles über sich – seine Tropenfische – den Vortrag, den er beim Lokalfunk über sie gehalten hatte – seine Tätigkeit fürs Kinderhilfswerk – seinen Plan, durch eine gesponserte Teilnahme am Londoner Marathon Geld dafür zu sammeln – den wunderbaren Urlaub, den er vor kurzem in Griechenland verlebt hatte – seine Vorliebe für warme Abende und mediterrane Küche – sein Entzücken, als er nach seiner Rückkehr feststellte, daß ganz in seiner Nähe ein griechisches Restaurant eröffnet hatte.
    »Manchmal glaubt man, daß da oben jemand ist, der sich speziell um einen kümmert, stimmt’s?« scherzte er. »Oder in meinem Fall vielleicht auch da unten!«
    Ich lachte und erklärte, ich wisse genau, was er meine.
    Und so war es tatsächlich, in beiderlei Hinsicht, im normalen Sinn einer müßigen Unterhaltung, und in einem tieferen, echten Sinn, wo sich der weitere Lebensweg entschied. Ich hatte das deutliche Gefühl, auf zwei Ebenen zu existieren. Einerseits auf der Oberfläche, auf der ich stand und die Morgensonne genoß, während ich beobachtete, wie seine öligen Finger die fachkundigen Handgriffe vornahmen, die, wie ich hoffte, mich wieder mobil machen würden. Und andererseits auf jener Ebene, auf der ich in Kontakt mit der Kraft hinter dem Licht war, der Kraft, die alle Furcht wegbrennt – einer Ebene, auf der die Zeit nicht mehr
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