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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
Autoren: Jay Lake
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Haven. Er hätte ihn niemals aufgefordert, sich hinzulegen und auszuruhen.
    »Das Zeichen, das Ihr mir gegeben habt«, sagte Hethor, »das Symbol der Uhrung, das mir in New Haven genommen wurde ... Was ist daraus geworden?«
    »Es ist in Gottes Hand.« Gabriel lächelte.
    »Es war eine Feder «, rief Hethor. »Kein Symbol der Uhrung.« Er sah wieder mit seinem heiligen Blick, ballte eine Faust aus purer Macht und stieß den falschen Erzengel vom Geländer. Gabriel explodierte in einer Wolke aus Uhrwerken, deren Einzelteile so klein waren wie vorhin die Splitter der Holzwesen. Wieder wurden Hethors Kleidung und seine Haut aufgeschlitzt.
    Von den zurückliegenden Anstrengungen war er dermaßen geschwächt, dass er ein paar Stufen auf dem Hinterteil hinunterrutschte und Arellya mit sich zog. Sie blieben erst liegen, als Hethors linkes Bein sich an einem der metallenen Treppenpfosten verkantete.
    »Vielleicht sollten wir uns jetzt ausruhen«, sagte er leise.
    »Hoch mit dir«, entgegnete Arellya. »Ich glaube, ich kann stehen.«
    Das konnte sie nicht. Also nahm Hethor sie wieder auf den Rücken und stolperte weiter.
***
    Noch mehr Stufen. Die Minuten schienen sich wie Tage zu dehnen. Hethor verlor irgendwann sein ausgeprägtes Zeitgefühl, das er sein Leben lang gehabt hatte. Er musste es an die Erschöpfung, die Verzweiflung und die endlose Messingspirale ihrer Reise abtreten, die immer nur eine Armeslänge von der rotierenden Oberfläche entfernt war, die die Achse der Welt darstellte. Doch trotz all seiner Verluste, und obwohl er sich am liebsten geschlagen geben wollte, schleppte Hethor sich weiter.
    Die Wände waren wieder da. Fester, massiver Stein. Der schwindende Raum nahm dem diffusen Licht seine Kraft; daher wurde sein Abstieg ein gewundener Tunnel, der Hethor und Arellya ständig in seinem Griff zu zerdrücken schien. Einmal dachte Hethor daran, sich über das Geländer zu stürzen, aber noch war er nicht verzweifelt genug für eine solche Tat.
    Also ging er weiter. Schritt für dröhnenden Schritt.
    Immer tiefer hinunter in die Eingeweide der Erde.
    Seine Füße schmerzten.
    Sein Rücken schmerzte.
    Sein Kopf schmerzte.
    Sein Körper brannte von hundert Schnittwunden.
    Und Arellya hing ihm wie ein Mühlstein um den Hals.
    Hethor machte die Inschrift seiner Tafel zu seinem Marschrhythmus. Er ging mit jedem Takt einen Schritt und stieß die Worte keuchend hervor. Es war, als ob er Stärke und Ausdauer durch schiere Kraft herbeizaubern konnte.
    »Das Herz Gottes ...« Schritt.
    »Ist das Herz der Welt.« Schritt.
    »Solange der Mensch lebt ...« Schritt.
    »Lebt Gott.« Schritt.
    »Solange Gott lebt ...« Schritt.
    »Lebt die Welt.« Schritt.
    Es machte aus seinem ganzen Körper ein Gebet und half ihm, die dunklen Stunden durchzustehen, während Arellyas Schmerzen als leichtes Zittern auf seiner Schulter zu spüren waren.
***
    Hethor umrundete die Achse ein weiteres Mal und sah eine völlig neue Höhle unter sich. Das Licht war hier heller. Die Wände schienen mit Pilzen bewachsen zu sein und wirkten wie ein sich ständig überlappender Anblick aus funkelnden Farben und kränklich-blassem Schimmer. Sporenfäden bewegten sich durch die Luft wie Aale durch ein tropisches Gewässer. Zum ersten Mal seit Stunden blieb Hethor stehen, um den Anblick auf sich wirken zu lassen. Gab es hier unten etwa eine Stadt? Lebten Menschen hier in den Tiefen der Erde?
    Gottes Schöpfung war voller Wunder.
    Nach einer unbestimmten Zeitspanne erschien der dritte Wächter ihres Abstiegs.
    William of Ghent.
    Der Hexenmeister hatte Hethors Angriff überlebt, der ihn in die rotierenden Messingfelder der Unterwelt hatte stürzen lassen, aber er hatte teuer dafür bezahlen müssen. Die alte Arroganz war verschwunden, genauso wie die klassische Schönheit seines Gesichts. Das rotbraune Haar hatte sich in ein schmutziges, vergilbtes Weiß verwandelt, das nur noch vereinzelt wuchs. Ein eisblaues Auge ließ sich nicht mehr öffnen. Eine blasse Narbe zog sich unter Williams fehlendem Auge durch sein Gesicht. Das andere Auge schien glasig zu sein, aber ein Funke brannte glühend in seinem Inneren. Er stand da, als wäre sein Körper ein Fluch, kein Segen.
    Doch als er sprach, geschah es mit derselben honigsüßen Stimme voller Vernunft und Verachtung, mit der er Hethor zum Tod in dem kleinen Raum unter dem Hof des Vizekönigs in Boston verurteilt hatte. »Ich sehe, dass deine Beharrlichkeit die Verbindung deiner anderen Fähigkeiten übertroffen
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