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Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring

Titel: Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
Autoren: Jay Lake
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stand auf, um die Vision loszuwerden, denn seine Zaubereien zehrten an seiner Seele. Seine Füße taten ihm furchtbar weh. Blut floss an hundert Splittern entlang. Arellya hielt sich zwei Stufen über ihm am Geländer fest. Ihr Speer war in einer Setzstufe festgekeilt. Sie lächelte. »Wir leben.«
    »Wir leben.« Hethor schauderte bei dem Gedanken, dass er solche Gewalt überstehen oder anwenden konnte. Er betete zu Gott, dies nicht noch einmal tun zu müssen, obwohl er vermutete, dass ein solches Gebet bloß Eitelkeit war. »Komm, wir müssen weiter.«
    »Bote ...« Arellya klang auf herzzerreißende Weise unsicher.
    Hethor wollte sich gerade umdrehen, blieb aber stehen, eine Hand auf dem Geländer.
    »Ich fürchte, ich kann nicht stehen.«
    Hethor blickte seine Geliebte an. »Dann muss ich dich auf dem Rücken tragen.«
***
    Sie kämpften sich weiter. Das diffuse Licht verwandelte sich in eine hoffnungslose Finsternis. Das endlose Echo der Messingtreppe war eine Glocke, die Hethors letzte Lebensstunden schlug.
    Seine Beine fühlten sich bei jedem Schritt wie Blei an, und stechende Schmerzen rasten durch seine Gliedmaßen. Doch er war so weit gekommen, jetzt würde er nicht aufgeben. Nur konnte er wenig dagegen tun, dass er immer langsamer wurde.
    Die Kristallhöhlen waren verschwunden. Es gab nur noch ein unendliches, widerhallendes Nichts und die gigantische Welle zu ihrer Linken. Der Luftzug, der durch ihre Drehungen entstand, zerrte an ihnen, und ihr Surren trieb sie fast in den Wahnsinn. Arellya wurde immer schwerer, bis Hethor glaubte, ein Brauereipferd in die niederen Regionen der Erde zu tragen. Nur ihr warmer, flacher Atem auf seinem Nacken und die Tatsache, dass sie immer noch nach Mariengras duftete, was seine Nase kribbeln ließ, erinnerten ihn an sein wahres Ich, an seine wahre Aufgabe.
    Nach einiger Zeit hörte er ein knarrendes Geräusch in den Schatten in ihrer Nähe. Etwas Großes bewegte sich dort. Es ließ ihn an die Bassett denken oder vielleicht an die Brustmuskulatur der geflügelten Wilden, die beim Fliegen ein ähnliches Geräusch machten.
    Dann sank Gabriel auf das Treppengeländer herab. Der Engel hockte sich hin, beide Hände direkt neben seinen Füßen. Die Pose wirkte seltsam, und er konnte sich nur dank seiner Flügel im Gleichgewicht halten, was ihn wie einen großen Truthahn oder Hahn wirken ließ.
    »Sei gegrüßt, Hethor«, sagte Gabriel. »Du bist weit gekommen.«
    Hethor wollte auf den Stufen niederknien, seine Erleichterung zum Ausdruck bringen und den Engel um Hilfe an diesem schrecklichen Ort bitten. »Ich habe alles, was Ihr verlangt habt und mehr«, sagte er, »aber es ist mich teuer zu stehen gekommen.«
    Gabriel nickte. »Es hat dir auch viel eingebracht. Aber du hast nicht alles getan. Du hast den Schlüssel der Ewigen Bedrohung vernachlässigt.«
    Hethor ließ beschämt den Kopf hängen. Dann sagte er leise: »Ich bin dem Schlüssel niemals nahe gewesen, obwohl ich ihn überall gesucht habe.«
    »Du hast deine Schritte zu früh nach Süden gerichtet.« Der Erzengel lächelte, und in seinem Blick lagen Mitleid und Liebe – Balsam für Hethors Wunden. »Dein Auftrag ist nun bedeutungslos. Es muss eine andere Lösung gefunden werden, auch wenn es bis zum Ende nicht mehr lange dauert.«
    »Ich gehe weiter«, versprach Hethor. »Es gibt keinen Weg zurück.«
    »Das stimmt«, pflichtete der Engel ihm bei, »aber du kannst dich nun ausruhen. Du hast es dir verdient. Setz dich ein Weilchen hin. Ich werde euch Essen und Decken suchen.«
    Gabriel hat recht, sagte sich Hethor. Ich sollte mich setzen und ein bisschen ausruhen. Aber dafür muss ich zuerst meine Last ablegen.
    »Nein«, flüsterte Arellya.
    Sie hat recht, dachte Hethor. Das alles ergab keinen Sinn, auch wenn seine Erschöpfung ihm bei der Suche nach Logik wenig behilflich war. »Warum wollt Ihr, dass ich meine Mission aufgebe?«, fragte Hethor den Engel. »Umdrehen, das könnte ich ja noch verstehen, aber warum soll ich hier bleiben?«
    »Du verdienst es, dich auszuruhen.«
    »Nein«, flüsterte Arellya. »Er treibt ein falsches Spiel mit dir.«
    Hethor dachte nach. Die hölzernen Kreaturen mussten von William of Ghent geschickt worden sein, der noch immer danach trachtete, die Erdrotation zum Stehen zu bringen. Die Antriebsfeder ablaufen zu lassen, mochte die Freiheit bedeuten, aber für Hethor war es die Freiheit des Todes.
    Und jetzt das. Gabriel hatte nie zuvor so mit ihm gesprochen, schon gar nicht damals in New
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