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Die Rache des Marquis

Die Rache des Marquis

Titel: Die Rache des Marquis
Autoren: Julie Garwood
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Angst, die Vision könne sich in Luft auflösen, wenn er die Lider nur für einen Sekundenbruchteil schließen würde. Die Frau war unglaublich schön. Vor allem ihre Augen fesselten ihn. So grün wie mein heimatliches Tal in einer klaren, mondhellen Nacht, dachte er. Sie starrte ihn an, und er starrte zurück.
    Fast eine volle Minute verstrich, während sie einander musterten. Dann kam sie auf den Tisch zu, und die Kapuze ihres schwarzen Umhangs fiel auf die Schultern. Caines Atem stockte, denn im Kerzenschein schimmerte das üppige kupferrote Haar wie Feuer.
    Ihre Kleidung befand sich in erbärmlichem Zustand. Die Qualität des Capes deutete zwar auf einen gewissen Wohlstand hin, aber an einer Seite klaffte ein Riß, als wäre es mit einem Messer aufgeschlitzt worden. Ein Teil des grünen Satinfutters hing in Fetzen vom Saum herab. Caines Neugier wuchs. Sein Blick kehrte zum Gesicht der jungen Frau zurück, und er entdeckte leichte Aufschürfungen an der rechten Wange, eine kleine Schnittwunde in der vollen Unterlippe und Schmutzflecken auf der Stirn.
    Wenn sie ein Engel ist, muß sie soeben der Hölle einen Besuch abgestattet haben, überlegte er. Aber obwohl sie den Kampf mit dem Satan vermutlich verloren hatte, sah sie immer noch zauberhaft aus – viel zu hübsch für Caines Seelenfrieden. Angespannt wartete er auf eine Erklärung.
    Sie blieb vor dem runden Tisch stehen und betrachtete die weiße Rose an Caines Revers. Der Engel war sichtlich verängstigt, die Hände umklammerten einen weißen Beutel, und Caine sah mehrere Narben an den schmalen Fingern.
    Was er von dieser Frau halten sollte, wußte er nicht. Aber er wollte keinesfalls, daß sie sich vor ihm fürchtete. Diese Erkenntnis bewog ihn, die Stirn zu runzeln. »Sind Sie allein?« fragte er brüsk.
    »Ja.«
    »Um diese Zeit, in diesem Stadtteil?«
    »Ja, sind Sie Pagan?« Ihre Stimme war ein heiseres Wispern.
    »Sehen Sie mich an, wenn ich mit Ihnen spreche!«
    Sie gehorchte und schaute unverwandt auf die Rose.
    »Bitte, antworten Sie, Sir, sind Sie Pagan? Ich muß mit dem Piraten reden. Es ist sehr wichtig.«
    »Ich bin Pagan.«
    »Man sagt, Sie würden alles tun – für einen angemessenen Preis. Stimmt das?«
    »Allerdings«, bestätigte Caine. »Was wollen Sie von mir?«
    Sie ließ den Beutel auf den Tisch fallen. Das Zugband öffnete sich und Münzen rollten hervor. Monk stieß einen leisen Pfiff aus.
    »Dreißig Stück«, verkündete sie, den Blick immer noch gesenkt.
    Caine hob die Brauen. »Dreißig Silberstücke?«
    Schüchtern nickte sie. »Genügt das? Mehr habe ich nicht.«
    »Und wen wollen Sie verraten?«
    Verwirrt schüttelte sie den Kopf. »O nein, Sir, Sie mißverstehen mich. Ich will niemanden verraten. Ein Judas bin ich nicht.«
    Die Frage hatte sie anscheinend tief gekränkt. »Mein Irrtum ist wohl verständlich«, verteidigte er sich. Wie ihr Stirnrunzeln bekundete, war sie anderer Meinung, und er gelobte sich, sein Temperament zu zügeln. »Also, was wollen Sie?«
    »Daß Sie jemanden töten, bitte.«
    »Ah …«, erwiderte er gedehnt. Seine Enttäuschung war fast schmerzlich. Sie sah so unschuldig aus, so verletzlich. Und trotzdem bat sie ihn in sanftem Ton, einen Mord zu verüben. »Und wer soll das Opfer sein? Vielleicht Ihr Ehegatte?« Der Zynismus in seiner Stimme klang so scharf wie ein Nagel, der über eine Schiefertafel kratzt. Doch das schien sie nicht zu stören.
    »Nein.«
    »Sie sind also unverheiratet?«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »O ja«, entgegnete er leise.
    »Ich bin nicht verheiratet.«
    »Und wen soll ich töten? Ihren Vater? Ihren Bruder?« Wieder schüttelte sie den Kopf, und Caine beugte sich langsam vor, beinahe am Ende seiner Geduld. »Ich bin es müde, Ihnen Fragen zu stellen. Erklären Sie endlich, was Sie wünschen.« Er hatte sich gezwungen, sie grob anzuherrschen, um ihr Angst einzujagen und ihr zu entlocken, was sie beabsichtigte. Aber die erhoffte Wirkung seiner harten Stimme blieb aus. Ein rebellischer Ausdruck trat in die grünen Augen. Offenbar besaß das verschüchterte Kätzchen sogar einen gewissen Kampfgeist.
    »Ehe ich Ihnen genauere Hinweise gebe, müßten Sie sich bereit finden, diese Aufgabe zu übernehmen.«
    »Aufgabe?« wiederholte er ungläubig. »Ich soll jemanden umbringen, und das bezeichnen Sie als ’Aufgabe’?«
    »Ja.«
    Sie weigerte sich immer noch, ihm in die Augen zu schauen, was ihn immer heftiger irritierte. »Also gut, ich bin einverstanden«, log er. Während sie
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