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Die Rache des Marquis

Die Rache des Marquis

Titel: Die Rache des Marquis
Autoren: Julie Garwood
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Schenkel konnten so manchen potentiellen Widersacher abschrecken. Er war dunkelhaarig, hatte eine bronzefarbene Haut, und seine Augen zeigten die Farbe eines Wolkenhimmels. Früher hatten seine Augen die Herzen feiner, Damen höher schlagen lassen. Jetzt wich die zarte Weiblichkeit vor seinem kalten, ausdruckslosen Blick zurück. Man munkelte, abgrundtiefer Haß habe den Marquis von Cainewood in Stein verwandelt, und dem stimmte er vorbehaltlos zu.
    Nachdem er beschlossen hatte, Pagans Rolle zu spielen, erkannte er, wie schwierig es war, dieses Täuschungsmanöver durchzuführen. Falls die Gerüchte zutrafen, floß adeliges Blut in Pagans Adern, und er hatte sich der Piraterie verschrieben, um seinen aufwendigen Lebensstil zu finanzieren. Diese Klatschgeschichten nutzte Caine zu seinem Vorteil. Als er zum erstenmal in die Taverne gegangen war, hatte er seinen kostbarsten Anzug getragen und eine kleine weiße Rose am Revers seines Dinnerjacketts befestigt – eine prahlerische Geste, die natürlich sofort die gewünschte Aufmerksamkeit erregte.
    Um sich den nötigen Respekt zu verschaffen, hatte er seinen scharfen Degen zücken müssen. Wenn er auch wie ein Gentleman gekleidet war, focht er ohne Ehre und Anstand. Bald bewunderten ihn die Männer. In wenigen Minuten hatte er ihre Hochachtung erworben und ihnen Todesängste eingejagt. Ein etwas mutiger Bursche erkundigte sich stotternd, ob das Gerede stimme, daß er tatsächlich Pagan sei. Caine antwortete nicht, aber sein Grinsen verriet, wie gut ihm die Frage gefiel. Und als er dem Tavernenwirt erklärte, daß dieser Seemann verdammt schlau sei, zog man daraus die unvermeidlichen Schlüsse. Bis zum Wochenende breitete sich die Kunde von Pagans allabendlichen Besuchen im »Taugenichts« wie ein Lauffeuer aus.
    Monk, der kahlköpfige Ire, der die Kneipe bei einer betrügerischen Kartenpartie gewonnen hatte, saß gegen Ende der Öffnungszeit meistens neben Caine. Als einziger wußte er über das Täuschungsmanöver Bescheid, und er billigte Caines Plan uneingeschränkt, da ihm bekannt war, welche Greueltaten Pagan an der Familie des Marquis begangen hatte. Außerdem blühte das Geschäft, weil jeder einen Blick auf den Piraten werfen wollte. Monk, in erster Linie auf seinen Profit bedacht, verlangte ungeheuerliche Preise für sein verwässertes Ale.
    Seine Haare hatte er schon vor Jahren verloren, aber orangerote Brauen machten diesen Mangel wett. Buschig und gekräuselt wanden sie sich wie Efeuranken über die sommersprossige Stirn, die er nun in Falten zog, um den Marquis sein Mitgefühl zu zeigen.
    Es war fast drei Uhr morgens, die Sperrstunde längst überschritten. Nur zwei andere Gäste saßen noch vor ihren Getränken. Als sie einen verschlafenen Abschiedsgruß gerülpst und das Weite gesucht hatten, wandte sich Monk zu Caine. »Sie sind geduldiger als ein Floh auf einem mageren Hund. Nacht für Nacht sitzen Sie hier. Hoffentlich lassen Sie sich nicht entmutigen«, fügte er hinzu, goß dem Marquis Brandy ein und nahm einen großen Schluck aus der Flasche. »Aber Sie werden ihn kriegen, Caine, daran zweifle ich nicht. So wie ich’s sehe, wird er erst mal ein paar von seinen Männern herschicken, mit dem Befehl, Ihnen aufzulauern. Deshalb rate ich Ihnen, stets auf Ihren Rücken aufzupassen, wenn Sie hier weggehen.« Kichernd fuhr Monk fort: »Pagan legt großen Wert auf seinen Ruf, und Ihre Komödie müßte seine Haare allmählich grau färben. Sicher wird er bald auftauchen. Ich wette, morgen abend kommt er.«
    Caine nickte, obwohl Monk seine allnächtliche Ansprache stets mit dieser Prophezeiung beendete.
    »Und dann werden Sie ihn zerquetschen wie eine Wanze, Caine.« Der Marquis nippte an seinem Glas, zum ersten Mal an diesem Abend, und lehnte sich an die Wand. »Ja, ich werde ihn kriegen.«
    Die rauhe Stimme jagte einen Schauer über Monks Rücken. Gerade wollte er Caine beipflichten, als die Tür aufflog. Der Wirt drehte sich halb auf seinem Stuhl um und beabsichtigte, den späten Gast auf die Sperrstunde hinzuweisen. Doch dann konnte er nur noch Luft schnappen. Nach einer Weile fand er seine Sprache wieder und flüsterte: »Heilige Mutter Gottes, hat sich ein Engel zu uns verirrt?«
    Der Eingang befand sich in Caines Blickfeld. Obwohl er keine Reaktion erkennen ließ, staunte er ebenso wie Monk und sein Herz begann plötzlich schneller zu schlagen.
    Die Frau, die hereingekommen war, sah tatsächlich wie ein Engel aus, und er wagte nicht zu blinzeln, aus
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