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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers
Autoren: Gisbert Haefs
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auf. Die Prediger führen Krieg gegen den Papst, und darum hetzen sie die Leute auf. Die Pfaffen wollen alles verbieten, was nicht fromm genug ist. Meine Tanzmädchen sind nicht fromm. Die Prediger wollen alles abschaffen, was Vergnügen bereiten könnte, denn das Leben, sagen sie, soll nur ernster Arbeit und dem Gotteslob geweiht sein. Wenn ich auf sie höre, kann ich die Miralda gleich versenken. Wenn ich fromme Tänze und Stücke aufführe, langweilen sich die Leute und bleiben weg. Wenn ich unfromm bin, schleudern die Pfaffen ihre Bannflüche wider mich, und viele Leute wagen es dann nicht, sich zu vergnügen.«
    All das hatte Samper, gleichsam ohne Luft zu holen, von sich gegeben. Er langte nach dem Becher, nahm einen gründlichen Schluck, hustete und sprach weiter.
    »Die Länder und die Städte verlangen immer mehr Zoll und Maut und Liegegebühren. Warum ankere ich wohl an dieser öden Insel? Heh? Nein, es ist ein Hundeleben. Das Kästlein ist leer, der klirrende Gesang der Münzen verhallt, ›mein Fleisch ist um und um wurmig und kotig‹ - wozu all dies noch weiterhin betreiben?«
    »Immerhin hast du noch Wein«, sagte ich.

    »Und junge Frauen.« Caonabo lächelte versonnen.
    »Sie werden deine braune Haut streicheln und lieben.« Samper gluckste. »Aber neulich habe ich eine bei unaussprechlich furchtbaren Dingen ertappt und entlassen. Entlassen müssen, damit sie nicht die anderen ansteckt.«
    »Was hat sie denn getan?«
    Samper beugte sich vor. »Gebetet hat sie! Was soll ich mit einem betenden Tanzmädchen? Einem beichtenden Keulenschwinger? Einem Schauspieler, der, während er einer Schönen den Hof macht, sich an die Zuschauer wendet und ihnen mitteilt, im richtigen Lebe habe er ein Keuschheitsgelübde abgelegt? Ah bah. Aber genug von mir. Erzähl du, was du getrieben und unterlassen hast, seit - seit wann? Seit ihr den Spaniern gefolgt seid, die nach Wien marschieren sollten. Einen Teil der Geschichte kenne ich zwar schon, aber …«
    »Woher?«
    Samper hob die Hände. »Später, später! Außerdem ist deine Fassung sicher besser als die, die ich gehört habe.«
    Also berichtete ich, mit einigen Auslassungen. Beim letzten Teil ergänzte Caonabo gelegentlich etwas. Schließlich sagte ich: »Du siehst, auch auf sonnigem Eiland gibt es Finsternisse, und nun weißt du, weshalb er mich begleitet hat. Immerhin« - ich leerte den Becher und schob ihn Samper zum Nachfüllen hin - »glaube ich, daß die schlimme Zeit, da die Götzen des Zufalls mich mit ihren Gaben gemieden haben, vorüber ist. Und wenn nicht? Ich habe nicht mehr viel zu erledigen.«
    Samper setzte ein schräges Lächeln auf und beugte sich wieder vor; dabei streckte er eine Hand aus. »Laß mich die Narbe sehen, Junge.«
    Ich legte die Rechte auf den Tisch. Er nahm sie, drehte sie hin und her, befühlte die Haut, die sich über der Wunde gebildet
hatte. »Nun ja«, sagte er, »den Degen kannst du damit führen, und den Fiedelbogen wohl auch, nicht wahr?« Dann ließ er meine Hand los und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. »Für das, was du noch zu erledigen hast, habe ich ein Geschenk für dich - sozusagen als Sendbote der Zufallsgötzen.«
    »Ich hänge an deinen Lippen und schmachte.«
    »Recht so. Ich sagte ja, daß ich den ersten Teil der Geschichte schon kenne. Ich habe sie vor ein paar Tagen gehört.«
    »Von wem?«
    Samper grinste. »Von Karl.«
    »Ist er hier?«
    »In der Nähe. Er ist immer noch hinter diesem, wie heißt er, Symonds her.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Erstaunlich. Der wollte doch angeblich nach England; wieso ist Karl dann hier?«
    »Symonds hat es sich eben anders überlegt. Und einen alten Dienstherrn wieder aufgesucht, der ihn offenbar gut bezahlt. Er gehört zum Geleit von Eminenz Mantegna, und Karl beobachtet die päpstliche Gesandtschaft und knirscht mit den Zähnen, weil er nicht an Symonds herankommt.«
    Ich schwieg ein paar Atemzüge lang. »Das trifft sich gut«, sagte ich dann. »Magst du einen Brief überbringen, Alberto? Es könnte dich vielleicht die Miralda kosten, aber die willst du ja ohnehin versenken.«
    »Will ich nicht«, knurrte er. »Ich hoffe auf bessere Zeiten, vielleicht auf eine neue Religion, deren Inhalt die Lebensfreude ist und die nicht dauernd etwas verbietet. Aber - was hast du vor?«

    Da Symonds bei Mantegna war, bestand die Möglichkeit, daß er mich sah, und da er mich kannte, konnte ich den Brief nicht selbst überbringen. Nach ein paar Tagen gründlicher Vorbereitung auf
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