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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers
Autoren: Gisbert Haefs
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Nachspiel geben, Caballero.«
    »Trotz der Leiche? Kein Mord? Totschlag?«
    »Wir haben ein Schreiben aus Venezuela erhalten, in dem einiges über Zamora steht. Wir werden es als Ehrenhandel betrachten. Ich glaube, wir sollten Euch danken.«
    »Dankt nicht mir«, sagte ich. »Dankt dem da. Ohne ihn wäre ich jetzt tot.«
    Der Gerichtsschreiber wandte sich Caonabo zu, der es nach langem Drängen meinerseits gewagt hatte, sich an den Tisch zu setzen. »Wohlgetan, dein Herr wird es dir zu danken wissen.«
    Inzwischen waren die meisten Tische besetzt. Hier und da wurde getuschelt, man warf uns Blicke zu, aber insgesamt war die Stimmung eher gelassen. Nicht das erste Duell, wahrscheinlich, sagte ich mir.
    Dann fiel mir etwas ein. »Hört, ich hätte eine Bitte. Ich werde morgen oder übermorgen zu Euch ins Gericht kommen.«
    »Zu welchem Zweck?«
    »Es könnte sein, daß man in Europa versucht, mich zu belangen.
Zamora hatte hochrangige Freunde; wie Ihr wißt, ist nicht jeder Edelmann edel, und nicht jeder Schurke niederer Abkunft.«
    Der Schreiber nickte und erhob sich, ein spöttisches Lächeln um die Lippen. »Wie wahr, Caballero, ach wie sehr wahr. Ihr wollt ein Schreiben, trefflich gesiegelt und unterfertigt vom Corregidor oder gar vom Stellvertreter des Vizekönigs?«
    »Läßt sich das einrichten?«
    »Es läßt.«
    Der Schreiber war kaum gegangen, als der Koch selbst zu uns kam, statt die Bedienung der Alten oder einem anderen Helfer zu überlassen. Als Caonabo aufstehen wollte, legte Vasco ihm die Hand auf die Schulter, schüttelte den Kopf und sagte: »Sitzenbleiben. Hier gibt es heute keine Sklaven. Habt ihr Hunger? Oder gehört ihr zu denen, die nach einer wichtigen Handlung zunächst fasten und sich läutern wollen?«
    »Kein Fasten, Vasco. Bring uns etwas.«
    »Schafsaugen in Sülze? Kalbshirn?« Er kicherte.
    »Keine Augen, kein Hirn, auch keine Blutsuppe.«
    »Lammschulter? Ist gleich fertig.«
    »Und Wein, damit ich meine Tölpelei schnell und gründlich vergesse.«
    Vasco lachte und wies auf ein Bild, das in der Mitte der Rückwand des Raums hing. »In dieser Taverne hat es viele Tölpel gegeben - schau sie dir an. Aus einigen ist etwas geworden, trotz Tölpelei; du solltest die Hoffnung nicht aufgeben.«
    Ich ging hin und betrachtete das Gemälde; der kaum leserlichen Signatur zufolge hatte es ein Maler namens Figu oder so ähnlich angefertigt; Pinselführung, Raumaufteilung
und Farben waren besser als die Unterschrift. Das Bild zeigte das Innere der »Vier Winde«. Im Hintergrund stand ein sehr viel jüngerer Vasco, weiter vorn eine üppige, grimmig blickende Frau, die Herrin der Schänke, und an einem großen Tisch saßen teils jüngere, teils ältere Männer. Die meisten Gesichter kannte ich von anderen Bildern, von Münzen, aus Büchern, aber zu meiner und anderer Erhellung hatte der Maler kleine schwebende Fahnen mit den Namen über den Köpfen angebracht: Cristobal Colón, Vasco Nuñez de Balboa, Alonso de Ojeda, Francisco Pizarro, Hernán Cortés, Ponce de León. Mittelpunkt des Bildes war jedoch die Wirtin, Catalina Barrancas.
    »Waren die alle hier?« sagte ich.
    Vasco nickte. »Sogar zusammen, vor, ah, dreiundzwanzig Jahren. Und sie haben hier einiges an Tölpeleien begangen.«
    Ich pfiff leise. »Beeindruckende Versammlung. Aber solche Eroberungen wie sie … Ich glaube, dazu bin ich nicht tölpelhaft genug.«
    Er lachte. »Du kannst ja noch ein wenig üben.«
    »Ich bin bescheidener«, sagte ich. »Weder ihr Gold noch ihre Strecke an Toten …«
    »Wieviel hast du denn noch vor?«
    »Gold? Genug zum Leben. Und an Toten fehlt mir nur noch einer.«
    Vasco klopfte mir auf die Schulter. »Den schaffst du«, sagte er. »Überleg dir nur beizeiten, was du danach tun willst.«

EINUNDDREISSIG
    E ine Karavelle, die vor allem amtliche Schriften, ältere Offiziere und ihre Frauen an Bord hatte, brachte uns nach Sevilla. Als wir dort eintrafen, war es Anfang November, meine Hand war wieder heil und beweglich, und Caonabo hatte ein wenig Italienisch und Deutsch gelernt.
    Ich war unschlüssig hinsichtlich der Möglichkeiten, die mir das vom Schreiber mit dem Siegel des Vizekönigs versehene Machwerk bot. Zwei Tage hatte ich über dem Wortlaut gebrütet, und ich war sicher, es würde eine gewisse Wirkung haben. Falls es mir gelang, den Empfänger zu finden und dafür zu sorgen, daß er es las.
    Von Sevilla fuhren wir durch die Meerenge nach Cartagena, von dort mit einer Versorgungsflotte nach Neapel.
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