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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers
Autoren: Gisbert Haefs
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Ausnahmsweise gab es nicht nur Sold und Verstärkung, sondern sogar Lebensmittel für die in Italien weilenden Truppen. Von Neapel nach Ostia, von dort nach Rom, wo ich nach langem Warten in eisigen Vorzimmern sowie mehreren Bestechungen erfuhr, Eminenz Mantegna halte sich in Savoyen auf und werde von dort nach Deutschland reisen, um im Lauf des Winters und des Frühjahrs bei den dortigen Fürsten und Bischöfen Botschaften des Papstes zu überbringen und einen vom Kaiser beabsichtigten Reichstag über den wahren Glauben und die lutherische Ketzerei vorzubereiten. Im März, so hieß es, werde er vermutlich die rheinischen Kurfürsten besuchen.

    Von Ostia fuhren wir nach Genua, von dort nach Marseille. In einem außer für Caonabo milden Januar ritten wir die Rhone hinauf, immer mit größeren Gruppen - zwar gab es ausnahmsweise keine Kriegszüge in diesen Gebieten, aber es ist immer besser, sich auf Nachrichten nicht allzu sehr zu verlassen. Von Lyon über Beaune und Dijon gelangten wir nach Bisanz und Mühlhausen, und Mitte Februar stellten wir fest, daß Eminenz Mantegna sich in Mainz aufhielt und alsbald gen Koblenz und Köln aufbrechen würde. Ein paar Tage später fanden wir die Miralda. Sie ankerte an einer kleinen Insel nördlich von St. Goar.
     
    Albuin Apollonius Sausak, der Große Alberto Samper, hatte sich kaum verändert. Er umarmte mich zur Begrüßung, schob mich dann von sich und musterte mein Gesicht.
    »Ein paar Falten mehr, wirst du erwachsen? Wo bist du gewesen? Was … ah, aber setzt euch doch. Wer ist dein Begleiter?«
    »Auch dir hat die Zeit mit Holzschuhen Furchen ins Antlitz getrampelt«, sagte ich. »Das ist mein Freund Caonabo, ein Fürst der Ciboney auf der großen Insel Aytí, welche die Spanier La Española nennen. Hast du etwas zu trinken für uns? Und später zu essen?«
    »Trinken, essen, reden?« Er klatschte in die Hände und brüllte nach Wein.
    Ich sah mich in seiner Kajüte um. Alles war wie früher, wenn auch ein wenig abgenutzt. Abgeschabt vom Leben, wie wir alle. Entweder legte er keinen Wert mehr auf neue Vorhänge und bessere Sitzbezüge, oder sein Vermögen war ebenso fadenscheinig geworden wie die Stoffe, mit denen er zuvor seine Träume ausgekleidet hatte.
    Eine junge Frau, an deren Gesicht ich mich nicht erinnern
konnte, brachte einen Krug und Becher, strich Samper übers Haar, lächelte uns an und ging wieder hinaus.
    »Deine Mädchen werden immer jünger«, sagte ich. »Ist sie neu, oder bin ich vergeßlich geworden?«
    »Sie ist neu.« Samper goß ein, verteilte die Becher, hob seinen und seufzte dramatisch. »Man wird älter, die Winter werden kälter, da ist frische Wärme hilfreich. Laßt uns auf die Frische und die Wärme trinken! Wo ist deine Fiedel?«
    Wir tranken. Caonabo stellte seinen Becher ab und sagte:
    »Die Fiedel schläft. Auf dem Schiff hat er gespielt, aber seitdem nicht mehr. Vielleicht braucht er zum Spielen ein Schiff und Wellen.«
    »Ah, Schiffe und Wellen!« Samper legte sein Gesicht in traurige Falten. »Hier ist nur noch ein altes Schiff, und die Rheinwellen sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Jedenfalls sind sie in meiner Erinnerung heiterer. Welche Schiffe habt ihr benetzt, welche Wellen haben euch geritten?«
    »Das ist eine lange Geschichte. Fang du an; ich glaube, deine ist kürzer.«
    Er nickte; sein Gesicht verfinsterte sich noch mehr. »Kurz und trüb, ja. Es ist die gleiche wie beim letzten Mal. Wir leben in würdelosen Zeiten. Die gewöhnlichen Menschen, die Freude am Vergnügen haben, nehmen ab, die Pfaffen und die Prediger werden immer lauter, die Städte und die Mautner wollen immer mehr Geld. Kurz genug?«
    »Ein wenig ausführlicher wäre vielleicht hilfreich. Vor allem für Caonabo, der zum ersten Mal hier ist.«
    »Warum bist du« - Samper wandte sich an den Ciboney - »von deiner heiteren Sonneninsel in diesen düsteren Weltteil gekommen?«

    »Sie ist nicht einmal halb so heiter«, sagte Caonabo.
    »Das ist Teil der langen Geschichte.« Ich räusperte mich. »Er war Sklave, was die Heiterkeit des Lebens mindert. Aber davon später. Erzähl du zuerst.«
    »Sklave? Sind wir das nicht alle?«
    »Wie man’s nimmt; wie meinst du das?«
    Samper faltete die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich zurück. »Gekettet an Besitz, versklavt von Gepflogenheiten, geknebelt durch Gesetze, zerfleischt vom Leben … Die Pfaffen führen Krieg gegen die evangelischen Prediger, und um ihn gründlich zu führen, hetzen sie die Leute
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