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Die Rache des glücklichen Mannes

Titel: Die Rache des glücklichen Mannes
Autoren: Arto Paasilinna
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einer anderen Gefahr bewusst, und so spähte er häufig besorgt zum Himmel, ob vielleicht Bomber der Roten Armee die kleine Holzbrücke angreifen wollten. Er for­ derte sogar ein Luftabwehrgeschütz zur Verteidigung der Brücke, doch das wurde ihm nicht bewilligt. Die ständi­ ge Sorge um die eventuelle Gefahr aus der Luft ließ Jäminkis Gesicht während jener Kriegsjahre faltig, ja regelrecht hart werden.
    Nach dem Krieg flutete ein wachsender Verkehr über die Brücke, und unter ihr strömte der Fluss und trans­ portierte ungeheure Mengen schwarzen Wassers zum Meer. Im Laufe der Jahre ließ dieses Wasser die Holz­ konstruktion der Brücke faulen und so morsch werden, dass nur noch mittelschwere Lastwagen gefahrlos pas­ sieren konnten. Kommen wir schließlich zur Gegenwart und zu jenem Frühlingstag, an dem ein hoch gewachse­ ner Mann die Brücke betrat.
    Es war der Brückenbauingenieur Akseli Jaatinen. Ingenieur Jaatinen, sechsunddreißig, lehnte sich an
    das alte Geländer und blickte in das schwarze Wasser. Es war ein Morgen gegen Ende März, und aus dem Fluss stieg rätselhafter Nebel zur Brücke auf, sodass der Mann fast darin verschwand. Doch da es bereits hell war, konnte man sein Äußeres erkennen. So sah er aus:
    Dickes Haar, eine große Nase, in den Augen ein ste­ chender Blick. Die nackten, riesigen Pranken ruhten auf dem Geländer, die Knöchel waren dick und die Gelenke breit, an seinen Hosenbeinen war zu erkennen, dass auch die Knie recht massiv waren. Ein zielstrebig, viel­ leicht auch ein wenig einschüchternd wirkender Mann, denn seine Augen, die jetzt ins Wasser starrten, lagen tief in ihren Höhlen. Es wäre dem Betrachter nicht eingefallen, das Gesicht dieses großen Mannes schön zu nennen, doch sah Ingenieur Jaatinen auch nicht unan­ genehm aus. Kein Mann wie jeder andere, das merkte man.
    Auf der Busstation des Kirchdorfes hatte Jaatinen seinen Koffer in der Gepäckaufbewahrung abgegeben, hatte Kainulainen, dem Baumeister der Gemeinde, der ihn empfing, die Hand gegeben, und die Einheimischen, die die Busstation bevölkerten, hatten neugierig ge­ schaut, wer da in ihrem Dorf aufgetaucht war: ein Inge­ nieur, der nicht mit dem eigenen Auto kam, sondern mit dem Linienbus wie ein mittelloser Fotovergrößerer. Aufgefallen war besonders Jaatinens Kleidung, die nicht im Entferntesten einem Studierten entsprach: Der Mann trug seine grüne Windjacke offen, darunter war ein kariertes Flanellhemd zu erkennen. Keine Krawatte, kein Jackett… und seine Füße steckten in langschäfti­ gen Gummistiefeln, die ungebügelte Hose war vom gleichen Stil.
    »Diesen Mann würde man nicht für einen Ingenieur halten«, sagte die Inhaberin der Cafeteria, während sie Jaatinen hinterherschaute, der zur eingangs erwähnten Brücke strebte.
    Grundlos war dieser in gewisser Weise eigenartige Mann nicht zur Brücke gekommen. Nachdem er eine Weile dort gestanden hatte, löste er sich vom Geländer, überquerte die Brücke von einem Ende zum anderen, sprang auf die Böschung hinunter und inspizierte die Unterkonstruktion; dabei stieß er einen Stein, der vor seinem Stiefel aufgetaucht war, ins Wasser, warum, das kann man nicht wissen. Dann zündete er sich eine Zigarette an, eine grüne North, und setzte sich auf die Balken des Widerlagers, um zu rauchen. Doch lange blieb er nicht in der Morgenkühle unter der nebligen Brücke sitzen. Er stand auf, spuckte die Zigarettenkippe aus, trat sie mit dem Stiefel in den Sand und ging wie­ der nach oben.
    Ab neun Uhr trafen nach und nach andere Männer bei der Brücke ein, es waren gewöhnliche finnische Arbeiter in Arbeitskleidung. Jaatinen redete mit ihnen, fragte einen jeden, wo er vorher beschäftigt gewesen war, ein ganz normales Gespräch unter Männern.
    Bis zehn Uhr hatten sich bei der Brücke schon mehr als zwanzig Männer versammelt. Aus dem Kirchdorf Kuusmäki kam noch vor dem Mittag ein schwerer Tief­ lader, auf seiner Ladefläche standen ein Bagger und eine Baubaracke. Bald erschien noch ein zweites Fahrzeug und brachte eine kleinere Baubude und weitere Arbeits­ geräte. Jaatinen zeigte den Fahrern die Plätze, die er ausgesucht hatte, sie entluden die Lasten und fuhren wieder davon. Die Zimmerleute stellten die Baracke und die Baubude auf Balken und richteten sie mithilfe einer Wasserwaage aus, sodass die Einrichtungsgegenstände hineingetragen werden konnten. Jaatinen ging zu der kleinen Bude, eine Rechen- und eine Schreibmaschine und ein Drehstuhl
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