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Die Rache des glücklichen Mannes

Titel: Die Rache des glücklichen Mannes
Autoren: Arto Paasilinna
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nunmehr in freundlichem, wenn auch strengem Ton, dass viele Mitglieder der Kirchgemeinde ungehalten seien über die Art und Weise, wie sich der Ingenieur sauber halte; sie fänden es un­ passend, dass er sich nackt an einem öffentlichen Ort wasche, noch dazu zweimal täglich, im Hellen. Er müsse sich wenigstens eine Badehose anziehen, so Roivas.
    »Ich denke hierbei besonders an die weiblichen Mit­ glieder meiner Gemeinde, und vor allem an die Jugend.«
    Jaatinen erwiderte, er leiste schmutzige Arbeit auf ei­ ner Baustelle, es bringe ihm nichts, in der Badehose ins Wasser zu steigen, sondern nach dem schweren Ar­ beitstag verlange der ganze Körper nach sorgfältiger Reinigung.
    »Die Kirchgemeinde Kuusmäki steht keineswegs auf dem Standpunkt, dass der Mensch nicht überall sauber sein sollte, sowohl geistig als auch körperlich, doch nichtsdestotrotz fordere ich Sie auf, sich zu bekleiden, wenn Sie in den Fluss gehen, oder vielleicht könnten Sie wenigstens so ein… wie nennt man das gleich, also ein Handtuch für unten benutzen.«
    »Frauen sind hier noch nicht aufgetaucht«, sagte Jaa­ tinen.
    »Bisher vielleicht nicht, ich weiß nicht… aber dies ist eine öffentliche Brücke, und sie wird auch von Frauen benutzt. Es ist ungehörig, dass Sie sich nackt in einem öffentlichen Fluss waschen und dadurch womöglich ehrenhaften Frauen die Möglichkeit nehmen, diesen Verkehrsweg zu benutzen… ich glaube sogar, dass sich schon jetzt viele Frauen geweigert haben, diesen Weg zu nehmen, denn im Dorf ist bekannt, dass Sie sich hier in sittlich fragwürdiger Form zeigen. Wir leben zwar in wilden Zeiten, aber ich möchte vermeiden, dass der allgemeine Sittenverfall hier in meiner eigenen Gemeinde noch begünstigt wird.«
    »Muss man das Ganze denn nun wirklich so ernst nehmen?«, meldete Jaatinen im Fluss seine Zweifel an.
    »Vielleicht erscheint Ihnen Ihr Handeln nicht so uner­ hört, wie es in Wirklichkeit ist. Ich kenne mehrere weib­ liche Mitglieder meiner Gemeinde, für die Ihr Anblick in diesem Aufzug eine große Erschütterung wäre. Sie sind anscheinend unter rauen Männern auf ihrer Baustelle gewöhnt an derlei Unsittlichkeiten, wie ich es mal nen­ nen möchte, und Sie verstehen womöglich nicht den vollen Ernst der Angelegenheit. Ich muss in diesen Dingen streng sein und kann öffentliche Unsittlichkeit nicht dulden.«
    Propst Roivas überlegte kurz, ehe er fortfuhr: »Gott hat uns alle nach seinem Ebenbild geschaffen,
    aber das bedeutet nicht, dass dieses Bild öffentlich vor allen Leuten gezeigt werden muss.«
    Jaatinen kletterte ans Ufer. Er betrachtete dieses Bild, trocknete es ab und verhüllte es dann mit Hemd und Hose. Als das grobschlächtige Gottesbild verhüllt war, rief Jaatinen dem Propst zu:
    »Hören Sie mal, Roivas. Sie verstoßen während der ganzen Zeit gegen die Straßenverkehrsordnung. PKWs dürfen auf der Brücke nicht parken, Sie gefährden damit den Verkehr. Fahren Sie sofort weg, oder ich erstatte Anzeige gegen Sie. Was die Angelegenheiten der Kirchgemeinde angeht, so möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich weder Ihrer noch einer anderen Kirchgemeinde angehöre, sondern im Zivilregister geführt werde. Wenn Sie also sittliche Wünsche an mich haben, dann wenden Sie sich an die weltlichen Behörden.«
    Jaatinen hatte gar nicht so boshaft werden wollen, aber irgendwie fielen ihm diese beleidigenden Worte einfach aus dem Mund.
    Der alte Kirchenmann war tief gekränkt. Er stieg in sein Auto und murmelte vor sich hin: »Es ist ungeheuer­ lich… Gott wird ihn strafen.«
    Propst Roivas sagte sich, dass die Welt tatsächlich je­ de Moral verloren habe. Noch vor dreißig Jahren wäre es ausgeschlossen gewesen, dass sich jemand derartig aufführte. In den dreißiger Jahren hätte man solche Männer ohne viel Federlesens aus dem Verkehr gezogen, damals herrschte noch Ordnung im Land. Der Propst musste an seine Jugend denken, und eine gewisse Begebenheit aus den zwanziger Jahren fiel ihm ein. Als Abiturient war er in Helsinki aufgrund einer Wette nackt die Esplanade bis zum Restaurant Kappeli hinunterge­ rannt… damals war allerdings Nacht gewesen… und außerdem hatte er jenen weit zurückliegenden Vorfall mit dem himmlischen Vater durch Beten bereinigt. Beides ließ sich überhaupt nicht miteinander verglei­ chen; dieser Ingenieur war kein Kind mehr, sondern ein erwachsener Mann, wie man sehr wohl sehen konnte. Schauderhaft.
    4
    Die Arbeiten kamen in jenem Frühjahr gut voran. Jaati­
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