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Die Rache der Engel

Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel
Autoren: Javier Sierra
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lässt und sich zu dem göttlichen Licht verwandelt, um das Haus des Vaters zu betreten. Die Pilger, die den Jakobsweg von seiner Kindheit bis zu seinem Tod und dem Jenseits zurückgelegt hatten, kamen hier an und entdeckten, dass sie selbst zu Licht werden und dennoch weiterleben konnten.«
    » Was ist denn aus dem früheren Pórtico geworden, Padre Benigno?«
    » Er wurde zerlegt und seine Steine sind in ganz Galicien verstreut. Das Geheimnis, das ich Ihnen anvertrauen möchte, ist ganz eng damit verbunden, Julia. Wir Dekane dieser heiligen Stätte geben es aus einem wichtigen Grund weiter. Und dieser Grund wird Ihnen erhellen, warum Sie diese Odyssee durchgemacht haben und zu diesem Ausgangspunkt zurückgekommen sind, nämlich um das Geschehene zu begreifen.«
    Ich bemerkte, dass Pater Benigno sehr ernst wurde, denn er rückte seine Soutane zurecht und trat einen Schritt zum Zentrum des Skulpturenensembles des Pórtico de la Gloria vor.
    » Dieser Ort hier war schon weit vor der Geburt unseres Herrn und noch ehe die erste christliche Kirche der Welt errichtet wurde, eine heilige Stätte. Die Kelten und sogar die geheimnisvollen Meeresvölker vor ihnen wurden von der Kraft, die diese Hügel ausströmten, angezogen und entschieden sich für sie. In den Legenden ist von einem Riesen die Rede, der behauptete, ein Verwandter von Noah zu sein und Tubal zu heißen. Er ließ sich hier nieder, um den heiligen Boden kenntlich zu machen. Tubal errichtete einen Turm, um die heiligste Stelle auszuzeichnen, und ermahnte die Bewohner der umliegenden Siedlungen, sich der Stätte nur zu nähern, wenn sie zu Gott beten wollten. Andere errichteten auf der gesamten Erdkugel ähnliche Säulen. In Jerusalem. In Rom. In den Ebenen von Wiltshire. In Paris. Aber das alles ereignete sich natürlich lange bevor wir diese Orte mit diesen Namen bezeichneten. Aber immer gab es Menschen, die diese Stätten aufsuchten, weil sie von dem Versprechen angezogen wurden, von diesen Höhen aus mit Gott sprechen zu können. Dann kam noch ein Turm hinzu, der Turm von Babel, der dem gleichen Zweck diente. Und auf seinen Bau folgte der Zorn Gottes, nämlich die Sintflut und die Zerstörung der Alten Welt. Die Menschheit verkam. Sie vergaß, was sie in jenen goldenen Zeiten gelernt hatte, als die Gottessöhne ihr Wissen mit uns teilten, und bald blieb uns von dem Geschehen nur noch der Schatten, der in den alten Geschichten und den heiligen Büchern versteckt liegt.«
    Don Benigno zog mich zu der Mittelsäule des Pórtico de la Gloria.
    » Jene Türme, meine liebe Julia, stellten keine Laune von irgendwelchen Mystikern dar. Sie haben wirklich dazu gedient, von der Erde Zeichen auszusenden, auf die der Allerhöchste aufmerksam wurde. Sie konnten jedoch nur eingesetzt werden, wenn man über einen materiellen Schlüssel dafür verfügte– einen Himmelsstein, einen lapis exillis, der im Mittelalter schließlich als Gral bezeichnet wurde– sowie einen spirituellen Schlüssel– eine Anrufung, einen Namen, den es auszusprechen galt. In Santiago wurde der Gebrauch dieser Schlüssel zum letzten Mal in einem Buch chiffriert, das die Inquisition verbot, aber das unter Hexen und Ketzern berühmt war. Es wurde als das Grimoire des heiligen Cyprian bezeichnet und es heißt, dass sein Original in dieser Kirche festgekettet war. Aber ich will nicht weiter vom Thema abschweifen. All diese Symbole gilt es jedenfalls zu entziffern. Die Alten griffen auf Symbole zurück, weil sie keine Worte dafür besaßen, die Wunder zu beschreiben, die das Wissen des Goldenen Zeitalters, das Wissen der Zeit vor der Sintflut hervorbrachte.«
    » Aber warum erzählen Sie mir das alles, Padre Benigno?«
    Don Benigno versuchte sich aufzurichten.
    » Ganz einfach, Julia. Irgendwie haben Sie gerade diese weltliche Beschränkung hinter sich gelassen. Die Symbole sind für Sie augenscheinlich geworden. Sie haben sprechende Steine gesehen. Leitern, die vom Himmel hinunterkamen. Und sogar Geschöpfe zwischen den Welten, die Ihre Schritte gelenkt haben. Aber eines fehlt Ihnen noch. Das letzte Symbol. Wie nicht anders zu erwarten, werde ich Ihnen nun ein Symbol an genau der Stelle zeigen, an der Ihr Abenteuer begonnen hat.«
    » Welches denn?«, fragte ich ungeduldig. » Das Zeichen, das die Armenier in der Nacht der Schießerei hier entdeckt haben? Das Zeichen bei der Puerta de Platerías?«
    » Aber nein. Ein noch viel bedeutenderes Symbol«, meinte der Geistliche lächelnd. » Wenn ich mich nicht
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