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Die Rache der Engel

Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel
Autoren: Javier Sierra
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verschluckt wurde, spürte ich, wie mein Brustkorb vor einer übermenschlichen Dankbarkeit anschwoll. Als ich sah, wie er sich auflöste, verspürte ich keinen Moment lang Angst oder Sorge. Es war genau so– das sagte ich mir immer wieder–, wie es sein musste. Ich meinte sogar Martins Stimme zu hören, die sagte: » Deine Gabe hat die Steine zum Sprechen gebracht.«
    » Ihr Ehemann war schon ein besonderes Wesen, Julia…«
    Nicholas Allen riss mich mit diesen Worten aus meiner Versunkenheit. Es war das erste Mal, dass der Colonel mich mit meinem Vornamen anredete.
    Er hatte diesen Satz gesagt, um mir Trost zu spenden. So als wäre Martin im Gletscher gestorben und es sei seine Pflicht, mir zu kondolieren. Doch ich war überhaupt nicht dieser Meinung. Ganz im Gegenteil. Ich schenkte dem Colonel einen beruhigten Blick, indem ich ihm bedeutete, dass in meinem Herzen kein Platz für Schmerz über den Verlust meines Ehemannes war. Doch ich konnte ihm auch nicht erklären, inwieweit diese Minuten, in denen ich selbst in die Energie der Adamanten eingetaucht war, in mir eine tiefgreifende Veränderung bewirkt hatten. Dass all meine Ratlosigkeit und Abscheu darüber, wie Martin und seine Gefährten mich benutzt hatten, ab diesem Augenblick einem umfassenden Gefühl von Zustimmung und Glück gewichen waren. Oder sogar Dankbarkeit. Irgendwie begriff ich, dass die Anrufung der Engel erhört worden war. Dass die zerstörerische Energie, die auf uns zuraste, auf ihre Bitten hin gerade noch rechtzeitig kanalisiert worden war. Dass die alte Jakobsleiter zum ersten Mal seit 4000 Jahren entfaltet worden war, um Martin und seinesgleichen aufzunehmen. Und dass diese Nachfahren der verräterischen Engel, dass dieser Stamm der von Heimweh geplagten Exilanten mit dieser Tat ihre alte Schuld an unserer Spezies beglichen hatte.
    Vielleicht war diese Vorstellung ja unsinnig. Das gebe ich zu. Mein Gemütszustand war nach all den Erlebnissen immer noch recht durcheinander. Aber in dem Augenblick vermittelte mir diese Idee einfach nur Frieden.
    » Julia!« Ellen schüttelte mich, als hätte ich vergessen etwas zu sagen. » Sie sollten sich bei dem Colonel bedanken. Er hat Ihnen immerhin das Leben gerettet!«
    » Nicht der Rede wert…«, sagte Allen nur, über meine Reaktion verblüfft.
    Ellen rümpfte die Nase und sah abwechselnd zu ihm und zu mir.
    » Wirklich? Wissen Sie, der Colonel konnte sie nur aus dem Gletscher befreien, weil es ihm gelang, ein Paar Skier unter die Krankenliege zu schieben.«
    » Ich habe gedacht, wenn ich Sie vom Boden in der Höhle isolieren könnte, dann wären Sie aus dem elektrischen Gefängnis befreit, in dem Sie steckten.«
    Ellen merkte voller Stolz noch an:
    » Zum Glück hat es funktioniert und Sie sind noch am Leben!«
    » Es tut mir leid, dass ich nichts für Martin ausrichten konnte.« Der Colonel sah zu Boden. » Es tut mir wirklich sehr leid. So wie Sie, wollte ich ihm noch viele Fragen stellen.«
    » Etwas für Martin ausrichten?« Mein Lächeln erfasste mein gesamtes Gesicht. » Was wollten Sie denn für ihn tun?«
    Nun warf Allen mir einen erstaunten Blick zu.
    » Stimmt sein Tod Sie denn gar nicht traurig?«
    » Darum geht es nicht, Colonel. Kennen Sie die Geschichte von Henoch und von Elias?«, fragte ich zurück.
    » Natürlich.« Der erfahrene Colonel begriff sofort, worauf ich hinauswollte. » Beide wurden in die Himmel entrückt, ohne den Tod erleiden zu müssen.«
    » Aber Sie glauben doch wohl nicht etwa, dass Martin und diese Leute…«
    » Doch das glaube ich, Nick. Genau das.«

102
    Santiago de Compostela, Spanien, drei Tage später
    »Du bist so etwas von naiv, Antonio. Du bist einfach ein hoffnungsloser Fall.«
    Marcelo Muñiz’ Gesicht zeigte – nach dem dritten Bier und der zweiten Portion Pulpo a la gallega mit dem befreunden Polizisten – eine deutliche Rötung. Der Juwelier war vermutlich der einzige Freund außerhalb des » Falls Faber«, bei dem Antonio Figueiras sich aussprechen konnte.
    » Aber jetzt begreif doch endlich mal!«, redete der Juwelier auf ihn ein. » Du erzählst mir, dass Julia Álvarez aus ihrer Gefangenschaft in der Türkei zurückgekehrt ist, und regst dich darüber auf, dass sie zuerst mit Padre Fornés ein Treffen vereinbart und nicht mit dir.«
    » Verdammt noch mal, was hat das denn mit Naivität zu tun?«
    » Mann, diese Frau ist vom Domkapitel angestellt!«
    » Aber ich bin schließlich Polizist!«
    » Antonio, die arbeitet für die Kirche als
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