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Die Pyramide: Im Zeichen des Orion (German Edition)

Die Pyramide: Im Zeichen des Orion (German Edition)

Titel: Die Pyramide: Im Zeichen des Orion (German Edition)
Autoren: Ingrid Müller
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weil ihm der Streich gelungen war. Es gab eine Untersuchung. Jeder musste zum Direktor, wo er in einem Vieraugen-gespräch erheblichem Druck ausgesetzt wurde. Alle spielten die Unwissenden, bis auf Marianne. Bevor sie an der Reihe war, meldete sie sich beim Direktor und sagte, Jochen sei es gewesen. Sie sagte auch in der Klasse, dass sie es gemeldet hätte, denn – so meinte sie – dieses Tun sei verwerflich, Solidarität hin oder her. Es sei kriminell. Das sah auch die Schulleitung so und erwog eine Anzeige. Jochens Stiefvater hatte lange Gespräche mit dem Direktor und der geschädigten Lehrerin. Schließlich einigte man sich ohne Einschaltung der Polizei. Jochen musste von der Schule und die Lehrerin erhielt ein sattes Schmerzensgeld.
     
    Dafür bestand der Stiefvater darauf, dass Jochen das Haus verließe und man gab ihn zur Großmutter nach Wiesbaden, die inzwischen verwitwet war. Sie hatte eine kleine Villa in bester Wohngegend, war finanziell gut gestellt, litt unter dem Verlust ihres Mann und vergötterte ihren Enkel. Er besuchte in Wiesbaden eine neue Schule, wo er mit Mühe und Not die elfte Klasse schaffte. Mit seinem Zeugnis hatte er nirgendwo die Chance, eine Lehrstelle zu bekommen. Aber seine Groß mutter kannte den Inhaber eines angesehenen Delikatessen-geschäftes. Sie war dort eine gute Kundin, und der Inhaber hatte vor vielen Jahren einmal um ihre Tochter geworben. Die hatte jedoch den Hallodri, der sein Vater war, vorgezogen. Krautermann, so hieß er wirklich, war lange unverheiratet geblieben, hatte aber jetzt  eine Frau, die zwar nicht besonders attraktiv, dafür aber tüchtig war. Sie hatte ein liebes, umgängliches Wesen und wurde von den vielen Stammkunden des Geschäftes sehr geschätzt. Krautermanns hatten keine Kinder, und sie fühlten ein großes soziales Engagement für den „verstoßenen kleinen Jungen“. So begann er also eine Lehre als Einzelhandelskaufmann.
     
    Für Jochen war das eine glückliche Zeit; er hatte in dem Kaufmann den Vater gefunden, den er immer vermisst hatte.  Plötzlich legte er einen ungeheuren Lerneifer an den Tag und wurde, was er bisher nicht gekannt hatte, viel gelobt für Fleiß, Ausdauer, Pünktlichkeit und gute Noten. Am Ende schloss er seine Lehre als Klassenbester ab und wurde von Krautermann als Verkäufer übernommen.
     
    Wilhelm Krautermann hatte noch ein weiteres Geschäft in Wiesbaden, und jetzt plante er, eine Filiale in Frankfurt zu eröffnen. Er setzte auf Jochen und ermunterte ihn, sich in Abendkursen weiterzubilden. Inzwischen hatte Jochen Interesse für alles und jedes entwickelt. Er stürzte sich auf neue Gebiete und eignete sich in kürzester Zeit ein umfassendes Wissen an, egal ob Kunst, Literatur, Musik oder Wirtschaft, Politik und Steuern. Mit 22 Jahren wurde er Leiter der Filiale Frankfurt. Dann starb seine Großmutter, die ihn zu ihrem Erben gemacht hatte. Neben der Villa erbte er noch ein kleines Aktiendepot und etwas Bargeld.
     
    Jochen konnte sich inzwischen den einen oder anderen Luxus leisten. Dazu gehörte auch, dass er sich seine Haare im teuersten Friseursalon Frankfurts schneiden ließ. Bei seinem ersten Besuch war er ziemlich aufgeregt, als er den Laden betrat. Ein weiter Raum in minimalistischem ultramodernem Design tat sich vor ihm auf, der den Eindruck vermittelte, alles im Leben sei möglich. Man saß in äußerst komfortablen Sesseln. Die verspiegelten Wände gaukelten einem vor, dass man inmitten von Hunderten von Menschen säße, die alle darauf warteten, von diesem Friseur bedient zu werden. Er war völlig geblendet und wusste nicht, wohin er sehen sollte. Eine angenehme Frauenstimme sagte: “Darf ich Ihnen schon einmal die Haare waschen.?“ Jochen fühlte sich herrlich entspannt. Dann erblickte er im Spiegel ein Frauengesicht, das ihm bekannt vorkam, und ein unangenehmes Gefühl überfiel ihn. Sein Wohlbefinden war gestört.
    „Marianne?“ fragte er ungläubig. „Du hier?“
    Auch sie erkannte ihn und fragte:
    „Kannst Du Dir das hier leisten? Vielleicht solltest Du mir erst einmal Dein Portemonnaie zeigen.“
    Diese Frechheit haute ihn um. Marianne war in der Klasse still und unauffällig gewesen. Sie war immer die Vernünftigste von allen. Nicht besonders intelligent, aber sie kompensierte es durch Fleiß. Sie hatte sich verändert, moderner Haarschnitt, etwas zu schrilles make-up, wie er fand. Er überlegte, wie er reagieren sollte, denn es reizte ihn, sich an ihr für ihren Verrat von damals zu
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