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Die Pyramide: Im Zeichen des Orion (German Edition)

Die Pyramide: Im Zeichen des Orion (German Edition)

Titel: Die Pyramide: Im Zeichen des Orion (German Edition)
Autoren: Ingrid Müller
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rächen. Es fiel ihm ein, dass er gerade bei der Bank gewesen war, und er zog sein Portemonnaie heraus, echt Kroko natürlich, machte es auf und blätterte zehn Hundertmarkscheine auf den Frisiertisch.
    „Möchtest Du Dein Trinkgeld im voraus?“
    Das saß.
    „Du siehst, ich hätte auch noch Geld, um Dich zum Kaffee einzuladen. Tu ich aber nicht. Ich bin näm lich schon mit einer tollen Frau verabredet,“
    wobei er das Wort „toll“ betonte, um ihr diskret zu bedeuten, sie sei es nicht. Marianne ließ sich nicht anmerken, ob sie das verletzt hatte.
    „Du bist der Kunde,“ sagte sie. „Wie soll ich schneiden? Welcher Fehler soll mit der Frisur kaschiert werden. Der charakterliche oder der äußerliche?"
    „Was empfiehlst Du mir denn. Was wäre denn wichtiger?“
    „Nun, wenn Du öfter kämst, könnte man langfristig an beidem arbeiten. Da müsstest Du aber noch viele Banken überfallen.“
    „Biest“, dachte er, musste aber grinsen.
    „Fangen wir bescheiden an. Ich will Dich nicht überfordern. Versuchen wir doch fürs erste einen ganz normalen Haarschnitt.“
    Sie machte es wirklich gut. Er gab ihr nur ein kleines Trinkgeld, aber sie verzog keine Miene. „Vielen Dank, der Herr, und beehren Sie uns bald wieder.“
     
    Nach zwei Wochen war er wieder da und verlangte ausdrücklich Marianne. Er musste etwas warten, denn sie hatte gerade einen Kunden.
    „Tach, Mariannchen,“ sagte er gutgelaunt.
    Sie tat geschäftsmäßig.
    „Wie soll es heute sein?“
    Während sie noch an ihm herumschnippelte, betrat eine hinreißende Frau den Laden.
    „Ich möchte zu Herrn Fischer,“ sagte sie laut und deutlich.
    Jochen beobachtete Marianne im Spiegel. Ihre Mimik und ihre Körperhaltung hatten sich völlig verändert. Die ange lernte Pose hatte sie verlassen und plötzlich war sie wieder das unscheinbare Mädchen aus der Klasse. Sein Trick hatte funktioniert. Sonja, eine gute Kundin von ihm, leider verheiratet,  äußerst gepflegt und sehr geschmackvoll gekleidet, hatte sich bereit erklärt, ihn vom Friseur abzuholen. Er hatte ihr gesagt, er wolle eine alte Flamme eifersüchtig machen.
    „Hier bin ich, Sonja,“ rief er, stand auf und gab ihr einen Kuss.
    Dann zahlte er, gab Marianne, ohne sie noch groß zu beachten, ein fürstliches Trinkgeld. Er hatte sie gedemütigt, aber er wollte sie mürbe machen.
     
    Wieder wartete er zwei Wochen. Sicherheitshalber rief er im Salon an und ließ sich einen Termin für Marianne geben. Sie war kühl und distanziert, fragte nach seinen Wünschen, sprach über das Wetter und ging auf seine kleinen Spitzen und Sticheleien nicht ein. Am Ende fragte er,
    „Wollen wir nicht doch einmal einen Kaffee zusammen trinken? Ich möchte gerne wissen, warum Du mich damals verpetzt hast.“
    „Dazu brauchen wir nicht erst bis zum Kaffee zu warten,“ antwortete Sie, „das kann ich Dir sofort und im Stehen sagen.“
    „Ach, nein, sag es nicht,“ bat er.
    „Ich verkrafte das nicht im Stehen. Dazu muss ich einfach sitzen.“
    „Tut mir leid,“ antwortete sie, „Ich trinke nur Tee.“
    Damit drehte sie sich um und beschäftigte sich mit dem nächsten Kunden. Jetzt war er wild entschlossen, sie „herumzukriegen“. Sein „Jäger- und Sammlertrieb“, wie er es nannte, war stimuliert. Am Abend stand er mit seinem Sportflitzer vor dem Salon und als sie herauskam, beugte er sich nur lässig über den Beifahrersitz, öffnete die Tür von innen und sagte herrisch: „LOS, steig ein.“
    Zu seiner Überraschung tat sie es.
    „Hat Dich mein Auto überzeugt?“, fragte er gutgelaunt.
    “Aus mir ist nämlich trotz Deiner Geringschätzung etwas geworden.“ 
    Dann erzählte er ihr, wie es ihm seit der Zeit seines Rauswurfs aus der Schule ergangen war. Sie hörte mit großen Augen zu.
    „Das hätte ich nie gedacht“, meinte sie zum Schluss.
    Das Wetter war schön. Sie fuhren ins Grüne, er lud sie zum Essen ein und gab mächtig an.
     
    Von da an trafen sie sich regelmäßig. Jochen hatte sich schon die ganze letzte Zeit sehr einsam gefühlt. Die viele Arbeit hatte ihm kaum Zeit für das Knüpfen von Freundschaften gelassen. Sein einziger Freund Mark Weingartner, den er noch aus der Grundschulzeit kannte, und mit dem er während dessen Gymnasialzeit regelmäßig Kontakt gehabt hatte, studierte Jura in Tübingen. Jeden Tag, wenn Jochen von seiner Arbeit in Frankfurt müde und schlapp in sein Haus nach Wiesbaden zurückkehrte, wo ihn die leeren Räume angähnten, dachte er, wie schön es doch
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