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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
Autoren: Nancy Bilyeau
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Lebens. Genau wie meine Mutter. Wir haben beide spanische Mütter.«
    In ihren Augen regte sich etwas. Dies war eine Frau, die ihre Mutter liebte – und vermisste.
    Doch dann sagte sie: »Ihr habt doch das Gelübde abgelegt, um Nonne zu werden, nicht wahr?« Ich erinnerte mich, was ich an Gertrude Courtenays Tisch gehört hatte: dass sie eine leidenschaftliche Verfechterin der religiösen Reform war.
    »Ja«, antwortete ich. »Mag sein, dass unser Glaube uns unterscheidet. Aber Ihr müsst mich in dieses Haus lassen. Ich muss mit der Herzogin von Kleve sprechen.«
    Genau in diesem Moment stürmte der König mit seinem Gefolge ins Haus. Nicht in königliche Tracht gekleidet, sondern im schlichteren Wams eines Edelmanns eilte er, ein Bein nachziehend, ungeduldig durch die Halle, wo alle sich tief verneigten. Sein Freund Charles Brandon ging sogleich zu ihm, und der König zog ihn mit sich zum Fuß der Treppe, um dort allein mit ihm zu sprechen.
    Wenig später näherten sich auch die anderen Herren und lachten schallend über eine Bemerkung des Königs. Charles Brandon kam eilig zu seiner Frau zurück. Ohne mich zu beachten, sagte er: »Der König hat eine kleine Maskerade vor. Er will ihr seine Aufwartung machen, ohne ihr zu verraten, wer er ist. Erst danach will er sich zu erkennen geben. Wenn alles gut geht, wird die Hochzeit – zumindest in einem Teil – dann wohl ein wenig früher gefeiert werden.« Mit einem kleinen Schmunzeln kehrte er zum König zurück.
    Die Gruppe um den König ging die Treppe hinauf. Doch ich konnte nicht folgen; der Kommandant der königlichen Wachtruppen hatte mich entdeckt. »Euer Durchlaucht«, sagte er zu Catherine Brandon, »diese Frau ist ohne Genehmigung hier eingedrungen. Der König hält sich im Haus auf – wir können das nicht zulassen. Sie muss unverzüglich das Haus verlassen.«
    Irgendetwas an der Haltung des Mannes störte den Hund der Herzogin. Er knurrte. »Still, Gardiner«, schalt sie das Tier.
    »Sagtet Ihr ›Gardiner‹?«, fragte ich. »Ihr habt Euren Hund nach dem Bischof von Winchester genannt?«
    »So ist es«, sagte sie kühl und ein wenig trotzig.
    Ich konnte das Lachen nicht zurückhalten. Eine Hand auf den Mund gedrückt, krümmte ich mich prustend, nahe daran, an meinem Lachanfall zu ersticken.
    »Geht es Euch gut?«, fragte Catherine Brandon.
    »Sehr gut, danke.« Ich richtete mich auf und klopfte mir leicht das Gesicht. »Ich muss um Vergebung bitten, aber das ist einfach zu komisch.«
    Catherine Brandon zwinkerte erstaunt, dann flog ein Lächeln über ihr junges Gesicht.
    Der Wachkommandant wiederholte seine Forderung, mich aus dem Haus zu weisen.
    »Die Dame ist eine Freundin von mir«, erklärte sie ihm gebieterisch. »Und die Herzogin von Kleve hat um ihre Gesellschaft gebeten. Es gibt keinen Anlass zur Sorge.«
    »Aber Durchlaucht, ich – «
    »Geht«, herrschte sie ihn an.
    Er zog sich zurück.
    Die Gruppe mit dem König war nicht mehr zu sehen.
    »Gebt mir bitte Euren Umhang«, sagte ich.
    »Wie?«
    »Den Umhang. Leiht ihn mir. Ich kann so nicht vor den König treten«, erklärte ich.
    »Vor den König?«
    »Ich flehe Euch an, leiht mir Euren Umhang«, sagte ich. » Por favor .«
    Kopfschüttelnd knöpfte Catherine Brandon den langen Umhang auf und reichte ihn mir. Ich warf ihn über mein beschmutztes Kleid und schloss die oberen Knöpfe. Ich strich mir glättend über das Haar. Dann ging ich zur Treppe. Ich rannte nicht, doch ich eilte so schnell, wie es einer Dame erlaubt war, die Stufen hinauf.
    Im dritten Stock gelangte ich in eine lange Galerie mit einer Fensterfront auf einer Seite. Ungefähr dreißig Leute standen dort in kleinen Gruppen umher. Alle Augen waren auf ein Paar in derMitte der Galerie gerichtet. Der Mann war ein Hüne von Gestalt und stark aufgeschwemmt – der König. Die Frau war jung und zierlich, mit einem hübschen Gesicht.
    Es war Catherine Howard. In ihren glatten, jungen Händen hielt sie einen eleganten silbernen Kelch mit juwelenbesetztem Fuß.
    Ich huschte nach links, zu den Fenstern, schoss am Herzog von Suffolk vorbei und dann an Thomas Seymour. Ich war noch fünfzehn Fuß entfernt … noch zehn …
    Der König hob den Kelch an die Lippen und legte den Kopf in den Nacken, um zu trinken. Er hatte die ersten Tropfen gekostet, als ich laut rief: »Nicht, Euer Majestät!«
    Alle in der Galerie starrten mich entgeistert an. Catherine Howard riss den Mund auf.
    Heinrich VIII. senkte den Kelch und sah mich an. »Ja?«,
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