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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
Autoren: Nancy Bilyeau
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Rochester?«
    Die beiden Männer nickten. »Im Bischofspalast.«
    Ich ließ mir den Weg dorthin erklären, dann lief ich los. Ich hatte keinen Umhang, und es war bitterkalt. Doch mir war das nur recht, es würde mir helfen, wieder zu klarem Verstand zu kommen. Die Straßen waren nicht vereist, also raffte ich meine Röcke und begann zu laufen, dem imposanten Gebäude entgegen, das sich vom grauen Winterhimmel abhob – es musste der Bischofspalast sein.
    Als ich nicht mehr allzu weit entfernt war, kam ich nur noch langsam vorwärts. Die Straßen waren von Menschen verstopft, vielleicht alle angelockt von der Aussicht, einen Blick auf die neue Königin zu werfen.
    Ich hörte ein gedämpftes Brüllen, einen merkwürdigen Laut, bei dem meine Knie zu zittern begannen.
    »Verzeiht«, rief ich einen jungen Mann an, der mit einem großen Hund an einem Strick an mir vorüberkam. »Wohin bringt Ihr den Hund?«
    »Zur Bärenhatz«, rief mir der Mann über die Schulter zu.
    Ich rannte ihm nach. Neben dem Bischofspalast erhob sich der hohe, aus dicken Holzplanken zusammengefügte Ring, die Arena für die Bärenhatz.
    »Seht doch«, rief eine alte Frau laut. »Der neuen Königin gefallen die Bären.«
    Ich kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Die alte Frau hatte recht. Die hohen Fenster im obersten Geschoss des Bischofspalasts waren weit geöffnet. An einem von ihnen stand eine Frau mit einer dreieckigen Haube, Anna von Kleve. Und neben ihr erkannte ich die füllige Mutter Lowe.
    Trotz der Kälte wurde mir plötzlich unerträglich heiß. Ich rannte um die Bärenarena herum zur Fassade des Bischofspalasts. Mindestens zwanzig Wachen in königlicher Livree standen davor. Wie sollte ich da hineinkommen? Würden Mutter Lowe oder Southampton sich erinnern, dass Anna von Kleve meine Gesellschaft wünschte?
    »Es ist der König«, schrie einer der Wachposten.
    »Nein«, rief ein anderer. »Der ist doch in London.«
    Doch der Stimmen wurden immer mehr, und sie wurden immer lauter. Die Leute zeigten auf eine Reiterschar in der Ferne, die direkt auf den Bischofspalast zuhielt.
    Der König hatte beschlossen, nicht in Greenwich auf Anna von Kleve zu warten. Er wollte sie jetzt sehen – heute – in Rochester.
    Baut auf den Bären, wenn ihr den Stier schwächen wollt. Wenn der Rabe das Seil erklimmt, muss der Hund sich in die Lüfte erheben wie der Falke.

Kapitel 51
    Ich drängte mich zum Eingang des Bischofspalasts durch. Irgendwie musste ich an den Wachen vorbeikommen. Doch ich wurde natürlich sofort bemerkt. Einer der Männer stieß mich zurück, als ich plötzlich Thomas Seymour entdeckte, der sich an der Tür mit einem anderen Mann unterhielt.
    »Sir Thomas«, schrie ich. »Sir Thomas, ich bin es, Joanna Stafford.«
    Damen von Stand schreien nicht, um Männer auf sich aufmerksam zu machen. Ein Wachposten stieß lachend seinen Nachbarn an. Doch immerhin hatte ich Seymours Interesse erregt. Er näherte sich mit einem amüsierten Lächeln.
    Je näher er kam, desto mehr trübte sich das Lächeln.
    »Was ist Euch denn zugestoßen?«, fragte er.
    »Bitte, würdet Ihr so freundlich sein, der Herzogin von Suffolk auszurichten, dass ich sie dringend sprechen muss«, sagte ich, bemüht, nur ja nicht im Ton einer Bittstellerin zu sprechen.
    Seymour drehte den Kopf, um nach der Reiterschar zu sehen, die jetzt fast den Bischofspalast erreicht hatte. »Beim Blut Christi, ist das der König?«, rief er. Er hatte alles Interesse an mir verloren.
    Während sich aller Aufmerksamkeit auf den Reiterzug richtete, rannte ich zur Tür und hatte es bis ins Haus geschafft, als ich hinter mir einen Mann rufen hörte: »Haltet sie! Haltet die Frau auf!«
    In der langen Eingangshalle stand Catherine Brandon, die Tochter von Maria de Salinas, mit ihrem Mann, dem Herzog von Suffolk, und dem großen Hund an ihrer Seite. Derselbe lange Umhang aus dunklem Samt wie auf Deal Castle lag um ihre Schultern.
    Als sie mich bemerkte, eilte sie zu mir.
    »Ich habe Euch in Deal überall gesucht, aber Ihr wart nirgends zu finden«, sagte sie vorwurfsvoll. »Southampton hat sich Sorgen gemacht. Wo wart Ihr denn?« Sie musterte mich stirnrunzelnd. »Was ist passiert?«
    »Durchlaucht«, sagte ich, »Ihr müsst mir helfen.«
    Irritiert trat sie einen Schritt zurück. Vielleicht hielt sie mich für verrückt. Vielleicht war ich wirklich verrückt geworden.
    »Um Eurer Mutter willen«, bat ich. »Eure Mutter hat Katharina von Aragón geliebt bis ans Ende ihres
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