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Die Prinzen Von Irland

Die Prinzen Von Irland

Titel: Die Prinzen Von Irland
Autoren: Edward Rutherfurd
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versengend blitzartigen Moment verstand Eva, wie nie
zuvor, die Eitelkeit eines Mannes und den langen kalten Atem seiner Rache.
    In
dem Moment lief Maurice aus der Halle.
    * * *
    Sean
und Eva aßen schweigend zu Abend. Der Brehon, der Vater Donal besuchte, hatte
ihnen die Nachricht zukommen lassen, er bleibe bis zu seiner Abreise am frühen
Morgen beim Priester und seiner Familie. Maurice hatte sich in die Scheune gesetzt
und wollte allein sein. Obwohl Eva ihn gebeten hatte, ins Haus zu kommen, hatte
er höflich wie immer darum ersucht, ihm möge erlaubt sein, mit seinen Gedanken
allein zu sein; nachdem Eva ihm liebevoll den Arm getätschelt hatte, ließ sie
ihn dort zurück.
    Sean
hatte bereits angekündigt, er wolle am nächsten Morgen wieder auf die Bergweide
gehen. Die beiden saßen da – er offensichtlich zufrieden, sie in ihrem
steinernen Schweigen –, bis sie endlich, als ihr Mahl vorüber war, sagte:
»Darüber werde ich nie hinwegkommen.«
    »Du
brauchst nur Zeit.« Er hatte einen Apfel in der Hand. Er schnitt ihn mit seinem
Messer in vier Teile, wobei er die Kerne drin ließ, und aß ein Viertel mitsamt
den Kernen. »Was geschehen ist, ist geschehen«, bemerkte er. »Du liebst ihn doch.
Er ist ein guter Junge.«
    »Ja,
er ist gut. Es verblüfft mich nur, dass jemand, der so gut ist, dein Sohn sein
kann«, sagte sie bitter.
    »Ja,
glaubst du?« Er nickte nachdenklich. »Es hat den Anschein, dass ich mit seiner
Mutter einen besseren Sohn zeugen konnte als mit dir.« Und er nahm das nächste
Apfelstück zur Hand.
    Ihr
Schmerz über die grausamen Worte fuhr ihr wie ein Dolch in den Magen. Sie
dachte an Fintan.
    »Liebst
du überhaupt irgendwen?«, fragte sie schließlich. »Außer dich selbst?«
    »Ja,
tue ich.« Er ließ die Worte wie einen Köder vor einem Fisch im Bach baumeln,
doch sie war klug genug, sich abzuwenden.
    Sie
blieben schweigend sitzen, bis er in wohl kalkulierter Muße die anderen beiden
Apfelviertel aufgegessen hatte.
    »Er
muss gehen«, sagte sie.
    »Du
bist groß darin, Leute aus meinem Haus zu werfen. Willst du nun wirklich meinen
eigenen Sohn loswerden?«
    »Sean,
er muss gehen. Du sagst, dass ich ihn liebe, und das stimmt. Doch ich ertrage
es nicht. Er muss gehen.«
    »Mein
Sohn bleibt im Hause seines Vaters«, erwiderte er mit Nachdruck, und damit
stand er auf und ging zu Bett. Sie blieb allein in der Halle sitzen und
grübelte, was sie tun sollte. Sie saß die ganze Nacht da.
    Wollte
sie wirklich, dass er ginge? Sie dachte daran, was Maurice ihr alles bedeutet
hatte. Wie musste er sich da draußen in der Scheune fühlen? War es denn nicht
genau derselbe Kampf gegen den Willen ihres Mannes? War es denn nicht noch mal
dasselbe, außer dass er ihr dieses Mal noch größeren Schmerz und eine noch
größere Demütigung zufügte? Dieses Mal hatte er sogar dafür gesorgt, dass sie
den Jungen, den Anlass ihres Schmerzes, liebte, und dann diese Liebe vergiftet.
Oh, er hatte sehr geschickt gehandelt. Das musste sie ihm zugestehen. Er hatte
sie einen bitteren Kelch trinken lassen.
    Und
aus diesem Grund konnte sie es nicht mehr ertragen, Maurice bei sich zu haben.
Als der Morgen dämmerte, schien es ihr, als gebe es keinen Ausweg.
    Doch
nur wenige Stunden später war ihr die Entscheidung aus der Hand genommen, von
Maurice, der sich zum ersten Mal in all den Jahren, die er bei ihnen lebte, sehr
ruhig, aber bestimmt weigerte, dem Mann zu gehorchen, von dem er nun wusste,
dass er sein Vater war. Er sagte ihnen, er wolle sie verlassen.
    »Vater,
ich werde dich oft besuchen«, sagte er. »Und dich auch, wenn ich darf«, meinte
er zu Eva gewandt mit einem sanften Blick voll Traurigkeit in seinen
wunderschönen Augen, die so seltsam und so smaragdgrün waren.
    »Du
musst nicht gehen, Maurice«, rief sie. »Du musst nicht gehen.«
    Doch
er war fest entschlossen. »Es geschieht in bester Absicht«, sagte er.
    »Wo
willst du hin?«, fragte ihn Sean mit etwas belegter Stimme. »Nach Munster?«
    »Um
die Mutter zu sehen, die mich verriet, und ihren Mann, der mich nicht will?«
Traurig schüttelte er den Kopf. »Wenn ich meine Mutter sähe, würde ich sie
verdammen.«
    »Wohin
dann?«
    »Vater,
ich habe beschlossen, nach Dublin zu gehen.«
    *
* *
    MacGowan war höchst
überrascht, als Maurice zu ihm kam. Und er war noch überraschter, als ihm
Maurice seine Geschichte erzählte. Es geschah nicht oft, dass der Grauhändler von
einem lang gehegten, auch intimen Geheimnis erfuhr, von dem er nicht
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