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Die populaersten Irrtuemer ueber das lernen

Titel: Die populaersten Irrtuemer ueber das lernen
Autoren: Claudia Jacobs
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Hilfe des Denkens zu lösen, wobei nicht auf eine bereits vorliegende Lösungsstrategie zurückgegriffen werden kann, sondern diese erst aus
der Erfassung von Beziehungen abgeleitet werden muss“.
    Wem das zu kompliziert ist, der kann sich sicher merken, dass die Fähigkeit, unbekannte Probleme zu lösen, eine zentrale Maßeinheit
     von Intelligenz ist. Neubauer/Stern haben darauf hingewiesen, dass der Begriff der Intelligenz nur verwendet werden darf, um zu erklären, warum Menschen
     „mit gleichem Bildungshintergrund und gleichen schulischen Lerngelegenheiten unterschiedliche Leistungen zeigen“. Zwei Personen ein unterschiedliches Maß
     an Intelligenz zuzuschreiben ist nicht fair, wenn ihr Lern- und Erfahrungshintergrund nicht ähnlich ist.

    In der wissenschaftlichen Literatur wird noch zwischen fluider und kristalliner Intelligenz unterschieden. Unter kristalliner
     Intelligenz versteht man die Fähigkeit, sich Wissen und Bildung anzueignen: Neubauer/Stern nennen hier z. B. das „Wissen von Wortbedeutungen, von
     mathematischen Gesetzen, von Hauptstädten verschiedener Länder“ usw. Das sind alles Dinge, die sich prinzipiell mehr oder weniger problemlos lernen
     lassen. Die kristalline Intelligenz ist jedoch nicht unabhängig von der sogenannten fluiden Intelligenz, die man auch Kernintelligenz nennt. Der Begriff
     beschreibt die Eignung, „spontan durchSchlussfolgerungen, Hypothesenbildungen und andere Verstehensleistungen neue kognitive
     Anforderungen zu bewältigen, denen man bislang noch nicht begegnet ist“.

    Es ist also die fluide Intelligenz, die uns dazu befähigt, unbekannte Probleme zu lösen, und damit ist es diese Form der Intelligenz,
     die die Forscher am meisten interessiert. Personen, die in IQ-Tests zur fluiden Intelligenz gut abschneiden, tun das übrigens nicht zwangsläufig auch in
     Tests zur kristallinen Intelligenz. Das bedeutet, dass sehr gebildete Menschen in aller Regel auch intelligent sind, während der Umkehrschluss nicht
     richtig sein muss. Ungebildete Menschen können durchaus intelligent sein. Während die kristalline Intelligenz übrigens normalerweise beständig zunimmt,
     erreicht die fluide Intelligenz im frühen Erwachsenenalter ihren Höhepunkt.

    Eltern sind oft daran interessiert, ob Intelligenz in erster Linie erblich bestimmt ist oder ob Umweltfaktoren für die Intelligenz
     eine größere Rolle spielen. Diese Frage versucht die sogenannte Verhaltensgenetik zu beantworten, und sie nimmt aktuell an, dass das Rennen unentschieden
     ist. D. h. die Intelligenz ist zu 50 Prozent erblich und zu 50 Prozent umweltbedingt. „Gene setzen offenbar Grenzen für das, was ein Mensch in seinem
     Leben erreichen kann, aber die Grenzen scheinen nicht besonders eng gesteckt“, bilanzieren Neubauer/Stern. Das kann man mal eine gute Nachricht
     nennen. Doch wie schafft man es, die genetischen Fesseln auszuleiern? Können wir die Intelligenz unserer Kinder beispielsweise dadurch steigern, dass wir
     ihnen Heftchen mit Denksportaufgaben und Sudokus kaufen oder, wenn wir etwas tiefer in die Tasche greifen, Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging, den Giga-Hit des
     Game-Herstellers Nintendo, der weltweit 15 Millionen Kopien davon verkaufte?

    Die Antwort lautet leider: Nein. So verführerisch der Gedanke auch ist, es spricht so gut wie nichts
     dafür. Gezieltes Lernen macht nicht wirklich schlauer, es steigert die fluide Intelligenz (die Kernintelligenz eines Menschen, seine Problemlösefähigkeit)
     jedenfalls nicht. Wer Bilderrätsel löst, verbessert lediglich die Fähigkeit, Bilderrätsel zu lösen. Wer Zahlen addiert, verbessert seine Fähigkeit, Zahlen
     zu addieren. Wer sich darin übt, Wörter besser zu behalten, wird sich Wörter früher oder später besser merken können. Wir trainieren mit konkreten
     Aufgaben auch nur konkrete Fähigkeiten. Das Gehirn, so hat es mir mal Elsbeth Stern erklärt, müsse man sich wie ein Haus mit unendlich vielen Fenstern
     vorstellen. Wenn man eines putze, blieben die anderen immer noch dreckig. Analog dazu können wir unser Gehirn mit noch so vielen Aufgaben-Typen füttern,
     es wird es uns dennoch nicht danken, indem es eines Tages die Weltformel ausspuckt.

    Seit nahezu 50 Jahren sind die meisten Forscher davon überzeugt, dass die Kernintelligenz eines Menschen mehr oder weniger konstant
     bleibt. In jüngster Zeit allerdings gibt es die eine oder andere Meldung, die zunächst aufhorchen lässt. Der Berner Gedächtnisforscher Walter Perrig
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