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Die populaersten Irrtuemer ueber das lernen

Titel: Die populaersten Irrtuemer ueber das lernen
Autoren: Claudia Jacobs
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und
     sein Team etwa wollen Belege dafür erbracht haben, dass Intelligenz sehr wohl trainierbar ist. Sie entwickelten ein Computerprogramm namens „Braintwister“, welches angeblich eindeutig das Geschick verbessert, unbekannte Probleme zu lösen. Bei dem Training, das gezielt das „Arbeitsgedächtnis“ trainieren
     soll, handelt es sich um Aufgabentypen, z. B. aus dem Bereich Logik, die wir auch aus Tests kennen, die den IQ ermitteln. Perrig und seine Crew sagen,
     dass Probanden, die mit dem „Braintwister“ geübt haben, etwas mehr Problem-Löseaufgaben lösen konnten als eine Kontrollgruppe. Das überzeugt andere
     Intelligenzforscher jedoch noch lange nicht: Wer immer und immer wieder Intelligenztest-Aufgaben löst, wird selbstverständlich nach einiger Zeit eine
     deutlicheLeistungssteigerung beobachten. Schließlich gewöhnt man sich an die Art der Aufgaben, man weiß, worauf man achten muss und was
     man anstellen muss, um erfolgreich zu sein. Selbstverständlich lässt sich auch der IQ-Wert in einer gewissen Spanne steigern, doch Probanden, die das
     geschafft haben, sind in Wirklichkeit kein bisschen intelligenter geworden. „Intelligenztests sind Indikatoren für die geistige Leistungsfähigkeit eines
     Menschen, aber sie sind nicht die Intelligenz selbst“, erklären Neubauer/Stern. Erinnern wir uns: Eingangs haben wir festgestellt, dass es unfair ist,
     zwei Personen ein unterschiedliches Maß an Intelligenz zu attestieren, wenn der Erfahrungs- und Lernhorizont dieser Personen nicht ähnlich
     ist. Intelligenztests dienen nicht der Eitelkeit. Sie sollen zuverlässige Vorhersagen über den zukünftigen Lernerfolg von Menschen machen. Das aber ist
     nicht möglich, wenn sich jemand anhand von IQ-Testfragen übt und dann im Vorfeld ungefähr weiß, wie der Hase läuft.

    Manchmal helfen abwegige Vergleiche: Intelligenztests sind wie Haare färben. Man kann sich die Haare blond färben und wenn man sich
     Mühe gibt, sieht es fast echt aus. Trotz der gelungenen Täuschung ist man nicht wirklich blond. Genauso ist es mit dem Üben von Intelligenztests. Man kann
     den IQ-Wert steigern, aber wirklich intelligenter wird man dadurch nicht.

    Kommerzielle Programme zum Gehirntraining erzielen heute Millionenumsätze. Wenn Forscher, die diese Produkte entwickelten und sie
     womöglich auf eigene Rechnung vertreiben, uns glauben machen wollen, sie hätten das Ei des Columbus gefunden, sollte uns das skeptisch machen. Walter
     Perrig allerdings will mit dem „Braintwister“ nicht reich werden. Die geringe Lizenzgebühr für das Programm geht an die Uni Bern. So oder so – die
     Belege, wonach es doch möglich ist, mittels Gehirnjogging und ähnlichen Entwürfen die Kernintelligenz zu steigern, hat dieMehrheit der
     Hirnforscher und Psychologen jedenfalls nicht zu überzeugen vermocht.

    Intelligenz lässt sich nicht durch spezielles Gehirntraining steigern. Und sonst? Können wir gar nichts tun, um schlauer zu werden?
     „Selbstverständlich doch“, beruhigen die Forscher Neubauer und Stern, und ihr Fazit ist ebenso simpel wie einleuchtend: Wir werden klüger durch das
     Lernen. Nicht durch das Bearbeiten von aus „dem Kontext gerissenen Problemen“ (Gehirnjogging), sondern durch die Beschäftigung mit „anspruchsvollen
     Inhalten“, die z. B. die sprachliche, mathematische oder räumlich-visuelle Kompetenz fördern. „Anspruchsvolle Inhalte“ können die Welt der Ritter sein,
     das Leben der Ameisen, der Graph einer linearen Funktion, deutsche Grammatik oder Astronomie. Wer sich einem dieser Themen intensiv widmet, eignet sich
     zunächst einmal Wissen an, nebenbei aber erwirbt er allgemeine Lern- und Denkstrategien, die zu einem eigenen Wissensgebiet werden, welches man auch
     „Metakognition“ nennt. Dank dieser Lern- und Denkstrategien wird es uns leichter fallen, Wissen auch auf anderen Gebieten zu erwerben. Intelligenz
     entwickelt sich also in Abhängigkeit von Lernangeboten oder anders gesagt: Unterricht macht schlau. Kehren wir noch einmal zu dem populären Irrtum zurück,
     nach dem klüger wird, wer musiziert. Wir haben gesehen, dass das so nicht stimmt. Und doch steckt im Kern etwas Wahres: Wer ein Instrument lernt, wird
     schlauer sein als jemand, der innerhalb der vielen tausend Stunden, die es dauert, Geige spielen zu lernen, nichts getan hat. In diesem Sinne macht das
     Musizieren sehr wohl schlauer. Man darf allerdings nicht behaupten, dass Musizieren klüger macht als Lesen
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