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Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat
Autoren: Christa S. Lotz
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raus!«, rief Markus.
    Teresa kam erst wieder zu sich, als sie schwer Atem holend nebendem Brunnen saß. Eine der Frauen reichte ihr einen Becher mit Wasser. Neben ihr waren etwa zwei Dutzend Bücher aufgehäuft. Teresa war zu erschöpft, um zu schauen, welche Werke sie gerettet hatten.
    »Es sind Bücher von Dante, Erasmus, Luther und Melanchthon«, raunte Markus ihr zu.
    »Und die Canzionere von Petrarca?« Sie erkannte ihre eigene Stimme nicht wieder, es war nur ein Röcheln.
    »Ja, auch die.«
    Die Leute aus dem Dorf stellten ihre Tätigkeit ein, da sie sahen, dass sie nichts mehr ausrichten konnten. Die Frau, die ihr den Becher gereicht hatte, erzählte: »Als die Herrschaften im Palas verschwunden waren, kamen zwei Reiter. Da oben auf der Vorburg haben sie gestanden. Richtig unheimlich ist mir geworden. Sie waren in schwarze Mäntel gehüllt, schauten zu uns herunter und verschwanden dann wieder.«
    »Wir müssen sie einholen«, sagte Teresa und stand auf. Sie lief mit Markus, der mit keinem Wort widersprochen hatte, die Treppe hinauf. Den Weg würden sie zu Fuß gehen, er war für die Pferde zu steil. Mehr rutschend als gehend kamen sie den Weg hinunter, der durch das Feuer einigermaßen beleuchtet war. Sie mussten Werner von Wildenberg erwischen, nicht nur wegen der Verbrechen, die er verübt hatte, sondern vor allem auch wegen der Chronik. Teresa kannte den Weg seit ihrer Kindheit und ging wie im Traum. Sie waren am Boden des Tales, der Weg führte aufwärts. Schwer atmend kamen sie oben an. Er musste nach vorn zum Felsen gegangen sein, dort, wo sich die Bäume am Abgrund festkrallten. Es führte kein Weg weiter, also hätten sie ihn sehen müssen, wenn er umgekehrt wäre. Im Gebüsch raschelte es. Teresa fuhr zusammen.
    »Es ist nur ein Tier«, beruhigte sie Markus.
    Sie erreichten das freie Plateau. Am Rand des Steilabfalls saß ein Schatten. Ein durchdringender Geruch nach verbrannten Kleidern und Haaren ging von ihm aus. Teresas Knie wurden weich. Wollte ihr Onkel sich hinunterstürzen? Warum hatte er es nicht schonlängst getan? Sie kamen näher. Der Schatten erhob sich, und Werner von Wildenbergs Stimme sagte: »Habt ihr mich also gefunden. Und jetzt kommt ihr, um die Chronik zu holen und mich zur Hölle zu schicken. Dorthin kann ich aber auch alleine gehen.« Er machte einen Schritt auf den Abgrund zu, strauchelte. Markus sprang vor und hielt ihn am Arm fest. Die beiden begannen miteinander zu ringen. Teresa stand verzweifelt daneben und presste ihre Hände gegeneinander. Es dauerte ewig, ging hin und her, Teresa wusste nicht, wer von beiden in den Abgrund stürzte oder ob beide den Tod finden würden. Sie machte einen Schritt auf die Männer zu, die sich ineinander verhakt hatten Teresa hörte ein dumpfes Geräusch. Markus ging zu Boden.
    »In der Hölle sehen wir uns wieder«, schrie Werner von Wildenberg mit sich überschlagender Stimme und sprang ins Nichts.
    Einen Augenblick lang konnte Teresa sich nicht bewegen, alles war aus ihrem Kopf fortgewischt. Dann aber kehrte das Leben mit einem heißen Strom in sie zurück. Sie lief zu Markus, der sich stöhnend den Kopf hielt, und half ihm auf die Beine.
    »Die Chronik ist für immer dahin«, sagte sie.
    »Um deinen Onkel tut es dir nicht leid?«
    »Nein, dir etwa?«
    »Bestimmt nicht. Er hat sich sein eigenes Grab geschaufelt. Jetzt lass uns zurückgehen, es ist noch nicht alles vorbei.«
    »Ich werde nicht versuchen, die Chronik zu finden«, sagte sie. »In der Schlucht liegt sie nun begraben in alle Ewigkeit.«
    »Du schreibst ja deine eigene Chronik«, erwiderte er, »und nicht die deines Vaters.«
    Teresa nahm diese Worte in sich auf. Sie eilten den Weg zurück, den sie gekommen waren. Von oben, vom Vorplatz der Burg her, ertönte ein Kanonenschuss. Was hatte das wieder zu bedeuten?
    »Das sind unsere Hakenschützen«, rief Markus und zog sie weiter den Berg hinauf. Über den Wäldern zeigte sich ein rötlicher Schein. Es war nicht das Feuer, sondern das Morgenlicht. Auf der taufeuchten Wiese standen Hugo und seine Männer. Die Kanonegab noch ein Rauchkräuseln von sich. Alles Schlimme und Bedrückende fiel von Teresa ab, so zerschunden sie sich auch fühlte. Mitten in der Gruppe der Männer stand ihr Bruder Matthias und lächelte ihr zu. Sie schloss ihn in die Arme.
    »Ich hatte böse Vorahnungen«, sagte er. »Deshalb habe ich eure Hakenschützen ermuntert, früher loszureiten. Aber wie ich sehe, ist hier schon alles vorbei.«
    Hugo, der
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