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Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)

Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)

Titel: Die Phoenix-Chroniken: Asche (German Edition)
Autoren: Lori Handeland
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nahe dem Schrank gelegene Wandtäfelung.
    „Was tust du denn da?“
    „Hier gibt es einen Durchgang.“ Mit der Schulter drückte er gegen die Täfelung. Sie gab nach, und kühler Modergeruch zog herein.
    „Weiß sonst noch jemand davon?“
    Jimmy schüttelte den Kopf.
    In diesem Moment fiel mein Blick auf ein Foto auf dem Nachttisch. Da der Hexenmeister nicht gerade der Typ für sentimentale Erinnerungsstücke gewesen war, hielt ich inne, um es mir anzuschauen. Mir stockte der Atem.
    Die Frau aus Rauch. Was zum Teufel hatte sie hier zu suchen?
    Ich schnappte mir die gerahmte Fotografie. Hatte ich sie also doch nicht nur geträumt. Auf dem Bild wirkte sie sogar noch echter, weil die Farben wirklichkeitsgetreu waren.
    „Wer ist das?“, fragte ich.
    Jimmy warf einen Blick auf das Bild und zuckte die Achseln. „Hab ich noch nie gesehen.“
    Erschreckt fuhren wir zusammen, als wir einen Laut aus dem Nachbarzimmer vernahmen. „Los, Lizzy.“
    Ich nickte, und dann, als er sich abwandte, riss ich das Foto aus dem Rahmen, faltete es zweimal und stopfte es zu den anderen Sachen in meiner Hosentasche.
    Schweigend machten wir uns auf den Weg. Zwar war der Gang stockdunkel, doch meine Augen waren jetzt so gut wie Jimmys, und ich war auch ebenso schnell. Kurze Zeit später standen wir vor einer Tür, die nach draußen führte und uns in die gleiche Gasse entließ, durch die ich vor ein paar Wochen gekommen war.
    Meine Pluderhose blähte sich im Frühlingswind. Gänsehaut überzog meinen nackten Bauch. Ich war im Begriff, in einem Haremskostüm durch Manhattan zu spazieren. Doch vermutlich würde noch nicht einmal jemand Notiz davon nehmen.
    „Warte mal kurz“, sagte Jimmy und verschwand wieder in der Tür.
    Er blieb so lange weg, dass ich anfing, mir Sorgen zu machen. Gerade als ich wieder hineingehen wollte, stürzte er in größter Eile aus dem Dunkel des Ganges auf mich zu. Er erwischte mich am Arm. „Lauf.“
    Das musste er mir nicht zweimal sagen. Bestimmt waren sie hinter uns her.
    Wir nutzten eine Lücke im Verkehr und flitzten über die Straße, ohne auf das Hupen und Fluchen zu achten. Als wir auf der anderen Seite waren, blieb Jimmy plötzlich stehen.
    „Was machst du…“ Ich schaute mich um, glaubte das Heer der Vampire schon hinter uns und fühlte den Tod nahen. Widerstand war jetzt zwecklos. Doch alles, was ich sah, war der Verkehr, das übliche Menschengetümmel und die riesige Chromglashölle.
    Nur dass irgendetwas mit den Fenstern nicht stimmte. Die Sonne war doch längst untergegangen, woher kam also dieses orange und gelbe Flackern, das aussah wie die tanzenden Flammen eines…
    „Feuer“, sagte ich.
    „Das war die letzte Antwort des Hexenmeisters.“
    „Auf was?“
    „Auf alles. Aufruhr. Invasion. Eroberung. Er hatte im ganzen Gebäude Zündsätze legen lassen.“
    „Sie werden alle verbrennen.“
    Er sah mich an, und mit einem Mal war er wieder der Jimmy, den ich kannte – zumindest der, den ich seit meinem Krankenhausbesuch wiederentdeckt hatte. „Und, macht es dir etwas aus?“
    „Überhaupt nicht.“

 
    41
    W ir nahmen uns ein Zimmer im erstbesten Hotel. In der Boutique dort besorgte ich mir T-Shirt, Trainingshose und ein Paar Flipflops und ließ sie auf die Hotelrechnung setzen. Unter diesen Umständen konnte ich auch sagen: I ❤ New York.
    Als ich aus der Dusche kam, stand Jimmy am Fenster. Die Art und Weise, wie er die Schultern hängen ließ, beunruhigte mich. War er denn jetzt nicht glücklich? Kein Verlangen mehr nach Blut. Kein wahnsinniger Vater, der ihn beherrschte. Und immerhin waren wir mit dem Leben davongekommen.
    „Geht es dir gut?“, fragte ich.
    „Lass mich überlegen.“ Er drehte sich zu mir um. Auch wenn seine Pupillen nicht mehr rot waren, gefiel mir nicht, was ich in seinen Augen sah. „Ich habe Ruthie getötet und eine verdammte Menge anderer Menschen auch. Habe uns jede Chance auf einen Sieg genommen, habe dir wehgetan, dich erniedrigt, warum sollte es mir also nicht gut gehen?“
    „Du hast Ruthie nicht getötet.“ Die anderen ließ ich vorerst lieber ruhen. Ich war mir ziemlich sicher, dass er einige auf dem Gewissen hatte, seit er in der Höhle des Hexenmeisters gelandet war. Aber es war besser, sie jetzt nicht auch noch zu erwähnen.
    „Ja, aber so gut wie.“ Er wandte sich ab. Ich wusste nicht so recht, was ich tun sollte.
    Liebe ist stärker als Hass.
    Auf Ruthie konnte man sich immer verlassen.
    Ich wollte es ihm sagen, aber ich brachte es nicht
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