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Die Philosophen der Rundwelt

Die Philosophen der Rundwelt

Titel: Die Philosophen der Rundwelt
Autoren: Terry Pratchett
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diese Idee viele Vorteile hat. Kalte dunkle Materie ist kalt, dunkel und Materie. »Kalt« bedeutet, dass man sie nicht durch die von ihr abgestrahlte Wärme entdecken kann, denn sie strahlt keine aus. »Dunkel« bedeutet, dass man sie nicht durch das von ihr ausgesandte Licht entdecken kann, denn sie sendet kein Licht aus. »Materie« bedeutet, dass es ein ganz gewöhnliches materielles Ding ist (keine alberne Erfindung wie Descartes’ immaterieller Geiststoff). Dies gesagt, ist kalte dunkle Materie natürlich absolut unsichtbar und entschieden nicht dasselbe wie gewöhnliche Materie, die weder kalt noch dunkel ist …
    Man muss den Kosmologen zugestehen, dass sie sehr angestrengt versuchen, Möglichkeiten zu finden, wie man kalte dunkle Materie entdecken könnte. Bisher haben sie entdeckt, dass sie Licht beugt, sodass man Ansammlungen von kalter dunkler Materie mithilfe der Wirkung »sehen« kann, die sie auf die Bilder fernerer Galaxien hat. Kalte dunkle Materie erzeugt trugbildhafte Verzerrungen im Licht ferner Galaxien und verschmiert es zu dünnen Bögen, in deren Zentrum die Ansammlung fehlender Masse steht. Aus diesen Störungen können Astronomen auf die Verteilung der ansonsten unsichtbaren kalten dunklen Materie Rückschlüsse ziehen. Die ersten Ergebnisse werden gerade gewonnen, und in ein paar Jahren wird es möglich sein, das Weltall zu durchmustern und herauszufinden, ob die fehlenden 90 Prozent Materie wirklich da sind, wie erwartet kalt und dunkel, oder ob die ganze Idee Unsinn ist.
    Descartes’ gleichermaßen unsichtbarer, nicht zu entdeckender Geiststoff hat eine sehr wechselhafte Geschichte. Zunächst schien seine Existenz offensichtlich zu sein: Der menschliche Geist verhält sich einfach nicht wie der Rest der materiellen Welt. Später hielt man seine Existenz offensichtlich für Unsinn, denn man kann ein Gehirn in Stücke zerschneiden – vorzugsweise nachdem man sichergestellt hat, dass sein Besitzer diese Welt bereits verlassen hat – und nach seinen materiellen Bestandteilen suchen. Und wenn man das tut, findet man nichts Ungewöhnliches. Da sind eine Menge komplizierte Proteine, auf sehr kunstvolle Weise angeordnet, aber man findet kein einziges Atom Geiststoff.* [* Und man wäre in der Lage der schrecklichen Revisoren der Realität von der Scheibenwelt, die anthropomorphe Verkörperungen der Regeln des Universums sind und in Der Zeitdieb bei ihrer vergeblichen Suche nach »Schönheit« Gemälde und Statuen auf die Atome zurückführen, aus denen sie bestehen.]
    Eine Galaxis können wir jedoch nicht in Stücke zerschneiden, sodass die Kosmologen vorerst mit ihrer absurden Erfindung eines neuen Materials durchkommen, mit dessen Hilfe sie ihr Gesicht wahren. Neurologen, die den Geist zu erklären trachten, haben es nicht so gut. Gehirne kann man viel leichter zerlegen als Galaxien.
    Trotz des Wechsels in den gegenwärtigen allgemeinen Anschauungen verbleiben ein paar hartgesottene Dualisten, die noch immer an einen besonderen Geiststoff glauben. Doch heute sind fast alle Neurologen der Ansicht, dass das Geheimnis des Geistes in der Struktur des Gehirns begründet liegt, und noch wichtiger: in den Prozessen, die das Gehirn ausführt. Während Sie diese Worte lesen, haben Sie eine starke Empfindung eines Selbst. Es gibt ein Ich, welches liest und über die Worte und über die Gedanken nachsinnt, die diese ausdrücken. Kein Wissenschaftler hat jemals das Stück Hirn herausseziert, das diesen Eindruck des Ichs enthält. Die meisten nehmen an, dass es kein solches Stück gibt: Vielmehr empfinden Sie sich als sich selbst wegen der gesamten Aktivität Ihres Hirns, plus der Nervenfasern, die mit ihm verbunden sind, ihm Empfindungen aus der Außenwelt liefern und ihm erlauben, die Bewegungen Ihrer Arme, Beine und Finger zu steuern. Im Grunde empfinden Sie sich als sich selbst , weil Sie ständig damit beschäftigt sind, Sie selbst zu sein.
    Der Geist ist ein Prozess, der in einem Gehirn, welches aus ganz gewöhnlicher Materie besteht, nach den Regeln der Physik abläuft. Es ist jedoch ein sehr seltsamer Prozess. Es gibt eine Art Dualität, doch es ist eher eine Dualität der Interpretation als des physikalischen Materials. Wenn Sie einen Gedanken denken – sagen wir, über den Fünften Elefanten, der vom Rücken von Groß A’Tuin abrutschte, eine kreisbogenförmige Bahn beschrieb und auf der Oberfläche der Scheibenwelt aufschlug –, dann hat derselbe physikalische Akt, mit dem dieser
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