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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd
Autoren: Brigitte Riebe
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Volksfrömmigkeit, Humanisten, antipäpstliche Fürsten und viele andere.
    Die Ursachen der Kritik waren vielfältig: religiös und national, sozialkritisch und wissenschaftlich. Einig war man sich nur in einem: Die Christenheit musste um ihrer eigenen Rettung willen wieder dorthin zurück, woher sie einst gekommen war – zum Urchristentum, zur Nachfolge Christi in Armut und Demut vor Gott. Die Kirche in ihrer hierarchischen Struktur wurde als der neue Sündenfall verstanden. Es wurde gefordert, die Christen sollten sich ausschließlich auf das einzige Mittel zurückbesinnen, das die alte Ordnung wiederherstellen könne: die Nachfolge Christi, wie sie in der Heiligen Schrift überliefert sei.
    Die Kirche allerdings reagierte auf diesen allgemeinen Ruf nach Reformen mit noch mehr Bürokratie, noch mehr Rigidität, verstärkten Strafandrohungen und dem Verbrennen von Menschen, die sie als Ketzer gebrandmarkt hatte. So kam die Stunde des Mönches Martin Luther, der die Kritik seiner Zeit in drei Leitthesen zusammenfasste:
sola scriptura: Nur die Schrift ist die echte Überlieferung des Wortes Gottes (nicht Erklärungen der Päpste oder Konzile).
sola gratia: Nur die Gnade Gottes hat die Christenheit durch Christi Tod befreit (nicht die Gnadenmittel der Kirche).
sola fides: Nur durch den Glauben allein kann der Mensch frei werden (nicht durch Fürsprache der Kirche oder der Heiligen).
    Vor Gott, so Luther, ist jeder Mensch gleich und frei. Der Glaube allein führt den Menschen zu Gott. Gottes Gnade nimmt den gläubigen Menschen an. Den Weg dahin findet er über die Heilige Schrift – was für eine Revolution!
    Maßnahmen gegen die Pest: das Pesthaus
    Natürlich versuchten die gebeutelten Städte, diverse Maßnahmen gegen die Pest zu ergreifen. Infizierte Häuser wurden mit Kreuzen gezeichnet, an anderen Orten entfernte man die Kranken, solange die Seuche noch nicht überhandnahm. Die ersten Pesthäuser oder Pesthospitäler entstanden oft in Anbindung an die örtlichen Universitäten. Aus Italien kam die Idee und Erfahrung der Quarantäne (40 Tage Isolierung der Kranken, um Ansteckung zu vermeiden). Da man aber keine näheren Kenntnisse über den Ansteckungsweg besaß, schlug das leider oft fehl, weil man infizierte Kleidung (Flöhe!) nicht konsequent genug entsorgte und mit der Quarantäne sogar das Gegenteil bewirkte.
    Trotzdem bezeugen die Quellen eine höhere Überlebensquote der Kranken in Pesthäusern, wohl weil dort die Pflege besser war. Die Frauen, die diese ausführten, wurden Pestmägde genannt. Einige von ihnen scheinen die Beulenpest überlebt zu haben, was ihnen einen gewissen Nimbus eintrug; sie stellten Erfahrene dar, die sogar für eine Zahl von Jahren gefeit gegen Ansteckung schienen. Trotzdem war man mit Anschuldigungen gegen sie schnell bei der Hand. War nicht doch der Teufel oder das Böse im Spiel, wenn sie überlebten? Bestahlen sie nicht die Kranken, die wehrlos in ihrer Hand waren? Oder bereicherten sie sich an Testamenten, aufgesetzt in der Stunde höchster Not?
    Die Achtung für die Pestmägde war eine überaus zweischneidige Angelegenheit, das steht fest, zumal dann, wenn der weitaus größere Einfluss eines Arztes dazukam, dem man mehr vertraute. Auch bei den Ärzten scheint das Spektrum weit: Vom abergläubischen Theoretiker, der sich selbst rasch in Sicherheit brachte, bis zum sozial eingestellten Forscher, der vor Ort blieb und um neue Erkenntnisse rang, scheint alles vertreten gewesen zu sein.
    KÖLN, DER ERZBISCHOF UND DIE PEST
    Hermann von Wied
    Köln, größte Stadt im mittelalterlichen Deutschland, mit 12 Türmen, die an das himmlische Jerusalem erinnern sollten, führte gegen seine Stadtherren, die Erzbischöfe, einen erbitterten Kampf, der erst 1475 mit der Erhebung zur freien Reichsstadt beendet sein sollte. Nach zahlreichen Aufständen gegen die Patrizierherrschaft war bereits 1376 eine ständische Verfassung in Kraft getreten, die sich auf die Gaffeln (Zünfte) stützte.
    Dennoch blieb der jeweilige Erzbischof und Kurfürst natürlich eine mächtige Person mit großem Einfluss. Hermann von Wied (1477-1552) krönte 1520 zusammen mit den Erzbischöfen von Mainz und Trier Karl V. in Aachen feierlich zum Kaiser und ließ bei den anschließenden Festlichkeiten in Köln die Schriften Luthers offiziell verbrennen. Im Jahr darauf stimmte er auf dem Reichstag zu Worms für die Ächtung Luthers. 1523 verbot er das Lesen und Verbreiten der Schriften des Reformators; » Irrgläubige«
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