Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
verstanden, da war Vincents Anliegen noch nicht einmal ganz ausgesprochen gewesen.
    » Ihr braucht eine lammfromme Stute?«, hatte er gerufen. » Auf der Stelle? Ihr sollt sie bekommen!« Er setzte ein zufriedenes Lächeln auf. » Wie das Schicksal so spielt, steht gerade so ein Tier in meinem Stall. Ich soll es für einen guten Freund verkaufen – zu einem wahrhaft anständigen Preis. Kommt!«
    » Ist das Johannas Stute?«, fragte Vincent erstaunt. » Ich hätte sie gar nicht wiedererkannt.«
    » Ja, das ist sie.« Mendel begann zu strahlen. » Früher hieß sie Pepi, aber das hat der Witwe Arnheim nicht so recht gefallen. Das Pferd neben ihr ist Sternchen. Und ich glaube, die beiden mögen sich.«
    Über den Preis wurden sie schnell handelseinig. Mendel ben Baruch schien den immensen Druck zu spüren, unter dem sein Besucher stand.
    » Ihr müsst weiter«, sagte er. » Soll ich Euch bis ans andere Ufer begleiten? Mit zwei fremden Pferden auf der Fähre …«
    » Wenn Ihr das tun würdet!« Vincent war erleichtert.
    Auf dem Wasser blieben beide still, doch als das Ufer immer näher kam, begann Mendel zu reden.
    » Ich werde Euch vermissen«, sagte er. » Euch und die Witwe Arnheim. Das Leben war sehr hart zu ihr. Ich hoffe, sie wird es besser haben, sobald Köln hinter ihr liegt.« Er hielt kurz inne. » Miriam und ich werden auch weggehen«, fuhr er fort. » Nach Aachen. Dort müssen wir nicht am anderen Ufer siedeln. Freunde und Verwandte erwarten uns bereits.«
    Die Fähre legte an. Mendel führte die Tiere an Land.
    » Und jetzt?«, fragte er.
    » Zum Pesthaus«, sagte Vincent. » Aber Ihr müsst doch sicherlich zurück.«
    » Und ob! Miriam mag es nicht, wenn ich zu spät zum Essen komme. Aber es gibt Ausnahmen, keine Ausreden, wohlgemerkt. Und sie ist klug genug, das eine vom anderen zu unterscheiden.« Er nahm seinen Hut ab, kratzte sich ausführlich am Kopf und setzte ihn wieder auf. » Ihr könntet Hilfe gebrauchen?«, fragte er.
    » Und ob!«, sagte Vincent. » Ich muss eine Schwerstkranke in mein Haus bringen und eine alte Frau, die manchmal sehr verwirrt ist.«
    » Sabeth!« Mendel begann zu lächeln. » Ihr habt sie also gefunden.« Er nickte Vincent aufmunternd zu. » Worauf wartet Ihr noch?«
    Den Alten neben sich zu wissen ließ für kurze Zeit alles möglich erscheinen. Doch sobald das Haus mit der roten Tür in Sicht kam, sank Vincents Mut erneut.
    Was sollte er Johanna sagen? Wie ihr diese verrückte Idee schmackhaft machen? Was, wenn Jakob ihm kein Wort glaubte? Was, wenn es gar nicht ihr Sohn Jakob war, den sie in der Hacht gefangen hielten?
    Das Herz wurde ihm schwer, als er anklopfte und Johanna ihm öffnete. Sie war bleich. Nur ihre Augen leuchteten intensiv grün.
    » Wo warst du die ganze Zeit?«, fragte sie. » Stell dir vor, Nele ist erwacht! Sie kennt Jakob. Sie liebt ihn. Und er lebt! Er hat sie aus den Fängen einer Bande befreit …«
    » Später, Jo, später!« Der Name war ihm ganz einfach über die Lippen gegangen, und jetzt wehrte sie sich nicht länger dagegen. » Du musst mir jetzt ganz genau zuhören, versprichst du mir das?«
    Sie nickte beklommen.
    » Wo können wir reden, ohne dass uns jemand hört?«, fragte er weiter.
    » Im Verschlag«, sagte sie prompt. » Inmitten der Pestwäsche.«
    » Dann komm!« Er zog seine Maske hervor und wartete, bis sie aufgeschlossen hatte.
    » Der Erzbischof hat die Wilden Blattern«, sagte Vincent, kaum war die Tür hinter ihnen zu. » Ich aber habe ihm eingeredet, es sei die Pest und ich besäße das einzige Mittel, um ihn vor dem Tod zu bewahren.«
    » Weshalb?«
    » Jakob sitzt in der Hacht. Unser Sohn! Angeklagt des Mordes. Das Opfer ist Neuhaus, ein Bruder des erzbischöflichen Kanzlers.«
    » Woher weißt du das?«, wisperte sie.
    » Von Ita«, sagte er bitter. » Und vom Erzbischof höchstpersönlich.«
    » Dann werden sie ihn hängen? Oder wie mich in die camera silentia sperren? Das dürfen sie nicht, Vincent – nicht auch noch ihn!«
    » Dazu wird es nicht kommen. Denn um an das Mittel zu gelangen, muss der Erzbischof ihn freilassen.«
    » Einen Mörder? Niemals!«
    » Genauer gesagt, er wird ihn nicht an der Flucht hindern«, versicherte Vincent. » Das hat er versprochen. Und uns auch nicht – davon weiß er allerdings noch nichts.«
    » Aber ich darf doch das Pesthaus nicht lebendig verlassen …«
    Er legte einen Finger auf ihre Lippen.
    » Damit dies alles gelingt, müssen wir äußerst klug und besonnen vorgehen. Es ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher