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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd
Autoren: Brigitte Riebe
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besser weiß?«
    Er lachte. » Deine Zehen sind schon wieder eiskalt.«
    Vincent fasste unter der Decke nach ihren Füßen und begann, sie zwischen seinen Händen zu wärmen. Dann spürte er ihre kühlen Finger in seinem Nacken, die ihn am Ohr kitzelten, sich weitertasteten und seine Lippen berührten.
    Ihr Bein begann zu zittern. Seine Hände glitten über das Fußgelenk, streichelten ihre Waden, dann die Schenkel.
    Als er in ihr Gesicht schaute, entdeckte er ihr schönstes Lächeln.
    » Wir sollten die Tür zumachen«, sagte Johanna.

HISTORISCHES NACHWORT
    EUROPA UND DIE PEST 1348–1720
    Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann?
    Niemand!
    Wenn er aber kommt?
    Dann laufen wir davon …
    In meiner Kindheit kannte nahezu jeder dieses Spiel. Ich selbst erinnere mich noch genau an das leichte Grausen, wenn ich als eine der wenigen » Überlebenden« der geballten Macht des » schwarzen Mannes« und seiner schon geschlagenen Helfershelfer gegenüberstand. Doch kaum jemand weiß (noch), dass in diesem scheinbar harmlosen Fangspiel das geballte Wissen Europas zusammengefasst ist, wie man der tödlichen Bedrohung durch die Pest – dem Schwarzen Tod – als Einzelner entgehen kann: allein durch Flucht.
    Die Infektion
    Mehr als 300 Jahre wütete die Große Pest, deren Höhepunkt von 1348 bis 1351 dauerte und die in regelmäßigen Abständen wiederkehrte und in Europa und Asien ihre Opfer forderte – wahrscheinlich die einschneidendste demografische Katastrophe, die die Menschheit erlebte. Die Seuche stammt ursprünglich aus der Hochebene zwischen Nordindien, Pakistan und der Gobi-Wüste, wo der Überträger, der Bazillus Pasteurella pestis, noch heute endemisch im Blut von einigen Nagetieren lebt. Der Floh nimmt das Blut infizierter Ratten auf; in seinem Magen findet der Bazillus ideale Lebensbedingungen. Er vermehrt sich in Windeseile und füllt den Flohmagen schließlich ganz aus. Sein Wirt kann immer weniger Nahrung aufnehmen und speichern, wird immer angriffslustiger und infiziert schließlich wahllos nicht nur seine Lieblingsnager, sondern auch andere erreichbare Warmblüter. Die Infektion geschieht entweder durch die bazillusverseuchten Exkremente, die der Floh neben dem Stich auf der Haut hinterlässt und die das Opfer durch unbewusstes Kratzen selbst in die Einstichstelle einbringt, oder durch die direkte Übertragung mittels des Saugrohrs eines restlos mit Bazillen gefüllten hungrigen Flohs, der beim Einstechen einen Teil seines Mageninhalts erbricht.
    Die Ausbreitungsfähigkeit des Bazillus hängt von der Population der vorhandenen Nagetiere ab, auf deren Kosten er und sein Wirt, der Floh, leben. Aber selbst eine längere Hungerperiode ändert wenig: Rattenflöhe können ein halbes Jahr ohne Nahrung überleben – und mit ihnen der Bazillus. Zu einer weltweiten Epidemie kann diese Krankheit nur werden, wenn ihre Transportmittel, die Nager, in hinreichender Zahl vorhanden sind und selber transportiert werden – was erst passierte, als die Hausratten, für die jeder kleine Bach eine unüberwindbare Grenze darstellt, Stege erkletterten, die in Schiffsbäuche führten.
    Nach Europa kam die Hausratte erst auf den Schiffen und mit den Karawanen der frühen Händler und verursachte bereits am Ende der Antike ein großes Sterben (mehrmals zwischen 550 und 750). Die zweite Welle, 1348 bis 1351, ging als » Schwarzer Tod« in die Geschichte ein, forderte eine unvorstellbare Zahl von Opfern (man geht von bis zu einem Drittel der europäischen Gesamtbevölkerung aus) und zog im Tempo eines schnellen Reiters mit circa 70 Kilometern pro Tag von Stadt zu Stadt, von Handelsplatz zu Handelsplatz. Es war eine Krankheit der Städte, die sie entvölkerte. Dass die Städte überlebten, lag lediglich an dem Nachschub an Menschen, der nach dem Abklingen jeder Pestwelle vom Land kam.
    Formen der Erkrankung
    Wo die Pest auftrat, war sie mörderisch. Denn die mittelalterlichen Städte mit ihren Holzhäusern, Scheunen, Schuppen und dem entsprechenden Mangel an Hygiene waren ideale Zufluchtsorte für die Hausratten und ihre Flöhe. Die häufigste Infektionsform war die Beulenpest, auch Bubonenpest genannt. Die berüchtigten Beulen bildeten sich zuerst in den der Stichstelle benachbarten Lymphknoten, bevor sie sich über den ganzen Körper verteilten. In den ersten Wochen nach Ausbruch betrug auch bei dieser Form die Todesrate um die 90 Prozent. Je länger die Epidemie dauerte, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, sie zu überleben,
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