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Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Autoren: Ines Thorn
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Nasen platt, drängelten und stießen einander die Ellbogen in die Rippen, um besser sehen zu können.
    Fröhlicher Lärm und Musik schallten durch das Haus über den ganzen Römer hinweg und kündeten vom Frohsinn im Schieren’schen Hause.
    Sibylla aber stand verborgen hinter einer Säule und sah immer wieder zu Isaak Kopper. Und dann, als die Vorführung längst unter lautem Beifall zu Ende gegangen war und das Passionsspiel begonnen hatte, drehte er sich um und sah sie an.
    Sie lächelte ihn an, und ihre Lippen formten ein einziges Wort: «Danke.»

Kapitel 25
    Acht Jahre waren seit dem Fest vergangen. Acht Jahre, in denen Sibylla sich tatsächlich mehr und mehr aus dem Geschäft zurückgezogen hatte.
    Christoph führte nun die Kürschnerei, würde bald seinen Meisterbrief in der Tasche haben. Heinrich kam nur noch ab und zu, um, wie er sagte, nach dem Rechten zu sehen. Vor zwei Jahren war er auf das Altenteil gegangen, doch ohne Arbeit konnte er nicht leben.
    Auch Barbara hatte Sibylla verlassen, lebte nun in einem Haus, dass von den Beginen, einer christlichen Frauenvereinigung, geführt wurde.
    Eva arbeitete bei Katharina in der Einrichterei. Von Anfang an hatte sie großes Geschick bewiesen. Bald würde sie heiraten. 16 Jahre alt war sie nun.
    Susanne hatte zwei Kinder geboren, einen Sohn, den sie nach ihrem Vater, der nie aus Spanien zurückgekehrt war, Wolfgang nannte. Einmal nur war ein wandernder Geselle gekommen und hatte von einem Frankfurter Kürschnermeister erzählt, der sich im elsässischen Straßburg niedergelassen haben sollte, nachdem er zu Fuß den berühmten Pilgerweg nach Santiago de Compostela gegangen war.
    Das zweite Kind war eine Tochter, und Susanne hatte sie nach ihrer Stiefmutter Sibylla genannt.
    Johannes, Schierens Sohn, hatte der Kürschnerei den Rücken gekehrt. Er war von der Wanderschaft zurückgekommen und hatte verkündet, sein größter Wunsch sei es, ein Leben als Kaufmann zu führen. Nun reiste er durch die Lande, verkaufte die Sachen aus den Schieren’schen Werkstätten und sorgte dafür, dass es nie an Nachschub fehlte.
    Sibylla aber tat nichts. Sie hatte es richtig vorausgesehen; ihre Schöpferkraft war versiegt. Sie hatte die Fähigkeit, Kleider zu entwerfen und Wohnungen einzurichten, fast vollständig eingebüßt. Doch das bedrückte sie nicht. Um Schönheit sichtbar zu machen, benötigte man ein sehendes Auge, ein hörendes Ohr, ein fühlendes Herz. Sibyllas Herz war kalt und erstarrt, ihre Augen trüb. Für sie gab es Schönheit nur in der Erinnerung. Weiterhin führte sie die Kontorbücher, überwachte alle Vorgänge in den Werkstätten. Doch sie tat es schweigend. Niemand hörte Lob oder Tadel von ihr. Wie ein Gespenst lief sie durch das große Haus, den Blick meist ins Innere gerichtet.
    Meist aber saß sie in einem bequemen Lehnstuhl am Fenster und starrte stundenlang ins Leere. Sie war nun 45 Jahre alt. Eine alte, müde Frau, die ständig fror und sich nach der Erlösung durch den Tod sehnte.
    Manchmal, wenn die Tage warm waren und die Sonne schien, ging sie hinunter zum Main, setzte sich auf einen großen Stein und sah den Wäscherinnen bei der Arbeit zu. Noch immer hatte sie Angst vor Krähen, noch immer irrte sie in manchen Nächten allein durchs Haus, nur mit einem Wachslicht in der Hand.
    Die Besuche bei anderen Leuten hatte sie aufgegeben. Kamen anfangs noch die Willmerin und die Goldschmiedemeisterin Harms zu Besuch, so unterließen sie diese Besuche bald, da sie von Sibylla nicht erwidert wurden.
    Auch Briefe kamen selten, seit Lucia gestorben war. Ein Blitz habe sie getroffen, als sie bei einem Gewitter Schutz unter einer Zypresse gesucht hatte, hatten Kaufleute aus Florenz berichtet.
    Wie lange war das jetzt her? Sibylla überlegte. Vier Jahre würden es im Sommer werden. Vier Jahre also, seit der letzte Brief für sie in diesem Hause abgegeben worden war.
    Sibylla schrak auf, als es an der Tür klopfte. Sie wurde selten gestört. «Herein!», rief sie, und eine Magd betrat das Zimmer. In der Hand hielt sie eine Nachricht.
    «Ein Bote war da, hat dies für Euch abgegeben», sagte sie schüchtern und reichte Sibylla das Papier.
    Sibylla dankte, und die Magd verließ das Zimmer. Lange hielt Sibylla die Nachricht in der Hand, ohne das Siegel aufzubrechen. Sie hatte es sofort erkannt. Eine Schlange mit einem Stab. Eine Schlange, die es auch als Türklopfer gab. An einem Haus in der Schäfergasse. Dem Haus Isaak Koppers.
    Sibyllas Herz, das sie erstarrt
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