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Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Autoren: Ines Thorn
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Maria und Volker werden sich auf die Herstellung von Wäsche konzentrieren. Maria hat die notwendige Sinnlichkeit, um Frauen und Männer auch für nachts und unter dem Gewand schöner zu machen.
    Sibylla saß in ihrer neuen Meisterstube und sah aus dem Fenster hinaus auf den Römer, während sie nachdachte. Es war gerade Wochenmarkt, und das Geschrei der Händler drang bis in ihre Stube. Sie stand auf, stellte sich ans offene Fenster und betrachtete das Geschehen auf dem Platz. Mägde standen mit vollen Körben in kleinen Grüppchen zusammen, um den neuesten Tratsch auszutauschen. Zweimal blickten sie hoch zu Sibyllas Fenster. Sibylla rührte sich nicht. Früher hätte sie ihnen zugewinkt. Doch jetzt war sie zu müde, um die Hand zu heben. An einem Stand stritt eine Hausfrau mit der Krämerin. Ein Marktwächter zog einen Jungen kräftig am Ohr, den er beim Diebstahl eines Apfels erwischt hatte.
    Ein altes, verhutzeltes Weib saß am Rand des Marktes auf dem Boden und bettelte. Kaum einer der Vorübergehenden, schenkte ihr Beachtung. Sibylla hätte der Alten gern einen Gulden in die hohle Hand gelegt. Doch sie war zu müde, das Geld aus ihrem Beutel zu holen und nach einer Magd zu rufen, damit sie diese Aufgabe für sie erledigte.
    Vor einem Mönch hatte sich eine kleine Schlange aus Wartenden gebildet. Jeder von ihnen hielt ein Schriftstück in der Hand oder ein leeres Blatt Papier. Gegen ein Entgelt las der Mönch den Lese- und Schreibunkundigen vor, was man ihnen per Boten mitgeteilt hatte, und verfasste, wenn notwendig, die Antworten.
    Jetzt brach die Sonne durch die Wolken und tauchte alles in ein goldenes, mildes Licht. Die blassgelben Käselaibe erhielten eine satte Farbe, die braunen Kleider der Krämersfrauen und Mägde bekamen einen roten Schimmer, die getönten Butzenscheiben der reichen Häuser erstrahlten.
    Ich sollte dies alles hier schön finden, dachte Sibylla. Doch das kann ich schon lange nicht mehr. Meine Entwürfe schaffe ich aus der Erinnerung an die schönen Dinge, die ich früher kannte. Jetzt scheint mir alles hässlich. Ich sehe selbst in den jüngsten, anmutigsten Mädchen bereits die Gesichter, die sie als alte Frauen haben werden. Abgearbeitet, faltig, mit schlaffer Haut und stumpfem Haar. Ich sehe in den Knospen der Blüten bereits die welken, graubraun verfärbten Blätter, höre im Lachen der Kinder die Schreie der Angst heraus.
    Doch auch meine Erinnerung an die schönen Dinge verblasst. Längst habe ich den Geruch des Oleanders in Florenz vergessen, kann mich nicht mehr an Hände erinnern, die meinen Leib streichelten und umschmeichelten, wie ich mir das von den Stoffen wünsche. Jeder Stoff, den ich in die Hand nehme, fühlt sich gleich an. Trocken wie Staub, der die Haut ausdörrt.
    Wie lange werde ich überhaupt noch in der Lage sein, Kleider und Einrichtungen zu entwerfen?
    Sibylla wandte sich vom Fenster ab, schloss die Flügel, sperrte das heitere Marktgeschehen aus und setzte sich hinter den Kontortisch.
    Sie stützte den Kopf in die Hände und starrte auf das dunkle Holz. Bald habe ich es geschafft, dachte sie und versuchte vergeblich, die Müdigkeit zu vertreiben. Nur das Fest werde ich noch veranstalten, dann ziehe ich mich zurück, werde schlafen, schlafen, endlos schlafen …
     
    Die Vorbereitungen zum Fest waren im vollen Gange. Sibylla selbst suchte die Hübschesten und Anmutigsten ihrer Angestellten heraus und stellte die Kleider zusammen, die diese vorführen sollten. Die Blumen waren verteilt, die Verkaufsräume hergerichtet. Überall standen silberne Kandelaber bereit, um das Fest, das in wenigen Stunden stattfinden sollte, ins beste Licht zu rücken.
    Barbara überwachte in der Küche die unzähligen Helfer, die dabei waren, die Speisen zuzubereiten. Spanferkel, gewürzte Braten vom Schwein, Rind und Lamm, Gebäck, Kuchen, Torten, Gemüse in Hülle und Fülle wurden zubereitet und verbreiteten im ganzen Haus einen köstlichen Duft.
    Sibylla roch nichts, sah nichts. Sie machte sich Sorgen. Würden die Frankfurter ihre Einladung annehmen? Würden sie kommen? Oder würde sie allein mit all den Köstlichkeiten und vornehmen Kleidern bleiben? Was würde passieren, wenn niemand käme?
    Sibylla wusste es. Blieben die Frankfurter weg, dann würde eine lange Durststrecke kommen. Niemand kaufte gern bei jemandem, der zu hoch gespielt und verloren hatte. Die Menschen mieden Verlierer, als wäre Verlust ansteckender als die Pest. Viel Zeit würde sie brauchen, um sich ihren
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