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Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Autoren: Ines Thorn
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meinem Leben bin ich so glücklich, dass ich wunschlos bin. Alles ist, wie es sein soll.»
    Behutsam strich sie dem Liebsten über die Wangen, sprach leise auf ihn ein: «Die Liebe ist stärker als der Tod. Isaak, du wirst wieder genesen, und wir werden ein neues Leben weit weg von hier anfangen. Wir werden die Jahre, die uns noch bleiben, glücklich miteinander verbringen, du wirst sehen. Ich weiß es, Isaak.»
    Sie schloss die Augen, spürte die Nähe des Geliebten mit jeder Faser ihres Körpers. Plötzlich stieg ein Bild aus ihrem Inneren hoch. Sie sah eine Frau in einem weißen Kleid, die ein Wachslicht in den Händen hielt. Sibylla Wöhler. «Ich lasse dich jetzt», sagte die Tote, die niemals richtig gestorben war. «Jetzt bist du mehr als ich, bist über mich hinausgewachsen. Ich habe nie geliebt. Der Tod hat keine Macht über die Liebe. Auf Wiedersehen, Sibylla-Luisa.» Das Bild löste sich auf, die wahre Sibylla entschwand. Sie öffnete die Augen und betrachtete Isaaks Gesicht. All ihre Liebe lag in diesem Blick.
    Isaak lächelte. «Ja, lass uns weit weggehen. Nach Florenz, um die Sonne auf unserer Haut zu spüren, um das Leben zu fühlen.»
    Er schloss die Augen und schlief ein. Sibylla schmiegte sich an ihn, froh, dass sie ihren Geliebten endlich wieder in den Armen hielt.

Epilog
    Langsam rumpelte der Wagen die Anhöhe hinauf. Sibylla sah Isaak an: «Wir haben es geschafft.»
    «Ja», er strich ihr zärtlich über die Wange: «Tatsächlich, den ganzen Weg von Frankfurt bis hierher.»
    Sibylla half Isaak aus dem Wagen, er war nach seiner Krankheit noch sehr schwach, doch nichts hatte ihn davon abhalten können, mit Sibylla nach Italien zu reisen. Es war ein Wunder gewesen, dass er überlebt hatte. Niemand hatte mehr daran geglaubt, am wenigsten er selbst. Doch Sibyllas Erscheinen an seinem Krankenbett hatte in dem Kranken ungeheure Kräfte freigesetzt. Die Todessehnsucht, die er jahrelang mit sich herumgetragen hatte, war verschwunden und hatte Platz gemacht für Lebenslust und Energie. Langsam war es ihm wieder besser gegangen, und jetzt, über ein Jahr später, zeugten nur noch die Narben in seinem Gesicht von der überstandenen Krankheit.
    Gemeinsam hatten sie beschlossen, Frankfurt hinter sich zu lassen und nach Italien zu fahren, in Lucias Landhaus, das sie Isaak hinterlassen hatte und in dem sie die glücklichsten Stunden ihres Lebens verbracht hatte.
    Sie genossen den Ausblick über die toskanischen Hügel, die Olivenhaine und die Zypressen. Sibylla dachte an das letzte Mal, dass sie hier gestanden hatten, und sah Isaak an. «Weißt du noch?»
    Isaak lächelte und zog sie an sich.
    «Natürlich.»

Nachwort
    Sibylla gab es tatsächlich. Sie hieß in Wirklichkeit Margaretha Weickmann, lebte und starb in Frankfurt. Doch obwohl ihr Leben sicherlich nicht so verlaufen ist, wie ich es beschrieben habe, lassen die Urkunden im Institut für Stadtgeschichte doch vermuten, dass es ein ganz und gar ungewöhnliches Leben war, das sich wenig um Sitten, Gebräuche und Zunftregeln kümmerte.
    Unter der Urkundennummer Lit. G.Nr.   73 findet sich der Eintrag über das Haus Zum Greiffenstein in der Schnurrgasse, damals eine noble Gegend. Margaretha Weickmann und ihr Mann Bechthold kauften dieses Haus für 1200 Gulden von Daniel von Hynsperg. Es war sehr ungewöhnlich, dass ein Kürschner, der seine Werkstatt weder vom Vater geerbt hatte noch zu den Mitgliedern des Rates gehörte, in relativ kurzer Zeit und unter Umgehung der damaligen «Karriereleiter» in den Zünften zu einem so großen Vermögen kam. Doch da wir seit Adam und Eva wissen, dass hinter jedem erfolgreichen Mann eine starke Frau steht, vermuten wir auch hier wohl zu Recht, dass Margaretha über Begabungen verfügte, die für eine Frau des ausgehenden Mittelalters nicht alltäglich waren.
    Einige Jahre später wird unter der Signatur/2275, Bl. 17 vermerkt, dass der Richter Sebastian Schirrer im Auftrag das Nachbarhaus der Weickmanns in der Schnurrgasse an die «Geselschafft vff dem Kauffhaus» verkauft hat. Hinter der «Gesellschaft auf dem Kaufhaus» verbirgt sich niemand anderes als Margaretha Weickmann, inzwischen verwitwet. Dieser Urkundeneintrag ist von ungeheurer Bedeutung. Eine Witwe, die eine Kaufhausgesellschaft besitzt! Nie zuvor hat es das in Frankfurt gegeben. Spätestens mit diesem Eintrag steht fest, dass Margaretha Weickmann eine ganz besondere Frau war. Sie fand sich nicht mit der Rolle des gehorsamen und untertänigen Eheweibes ab,
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