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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
Autoren: Alison Croggon
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mir leid. Dies sind Zeiten der Angst, und Angst lässt uns alles andere als weise handeln.« Maerad drehte sich ihm zu und versuchte zu lächeln. »Ich weiß«, sagte sie. »Wir haben alle gelitten …« Sie musterte Malgorns Züge und bemerkte erstmals, wie müde und angespannt er wirkte. Ein schrecklicher Gedanke kam ihr. »Malgorn, ist Silvia… geht es ihr gut? Ist sie …«
    Silvia, Malgorns Gemahlin, verkörperte vermutlich den Hauptgrund, weshalb Maerad sich in den vergangenen rauen Monaten so sehr nach Inneil gesehnt hatte. Ihre Freundlichkeit hatte Maerad die Augen für eine andere Welt geöffnet, eine Welt, die sich gänzlich von Gilmans Feste unterschied, jener grausamen Sklavensiedlung, in der sie ihre Kindheit verbracht hatte. Maerad hätte es nicht ertragen können, wenn Silvia etwas zugestoßen wäre.
    »Ja, ja, es geht ihr gut«, antwortete Malgorn hastig, als er den Ausdruck in Maerads Gesicht sah. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Sie ist beschäftigt, aber ich habe ihr gesagt, dass Cadvan hier ist, und sie wird kommen, sobald sie kann. Sie hat nach dir gefragt, Maerad …«
    Maerad seufzte vor Erleichterung, nahm auf dem Sofa Platz und wiegte ihr Glas in der Hand. Plötzlich fühlte sie sich erschöpft. Malgorn und Cadvan begannen sich miteinander zu unterhalten. Sie lauschte müßig, verspürte jedoch kein Verlangen, sich an dem Gespräch zu beteiligen.
    Als Silvia etwas später immer noch nicht aufgetaucht war, verschwand Malgorn, um Betten für die beiden Reisenden vorbereiten zu lassen. Zu ihrem Entzücken erhielt Maerad dasselbe Zimmer, in dem sie bei ihrem letzten Aufenthalt in Inneil geschlafen hatte. Eine freundliche Frau, die sie nicht kannte, gab ihr saubere Kleider. Maerad ließ ihr Bündel zu Boden plumpsen und begab sich sofort ins Bad, wo sie sich mit einem Gefühl unaussprechlichen Wohlbehagens in das heiße Wasser gleiten ließ und sich all den Schmutz der Reise abwusch.
    Dabei vermied sie es, ihre linke Hand anzusehen. Durch die beiden fehlenden Finger, die sie durch Erfrierungen verloren hatte, glich sie einer hässlichen Klaue, und Maerad schämte sich, wann immer ihr Blick darauf fiel. Allmählich gewöhnte sie sich daran, ohne die zwei Finger zurechtzukommen, und konnte mittlerweile die meisten Dinge ohne größere Schwierigkeiten tun; dennoch hielt sie die Hand außer Sicht, wann immer es ihr möglich war. Mit einer derart verstümmelten Klaue konnte sie nicht mehr nach Belieben Musik spielen, und jedes Mal, wenn sie das Fehlen der Finger bemerkte, wurde sie erneut an ihren Verlust erinnert. Schließlich schlüpfte sie in saubere Kleider und seufzte ob des schieren Behagens des weichen Stoffes auf ihrer Haut, dann kehrte sie ins Musikzimmer zurück. Während dieses kurzen geborgten Augenblicks der Ruhe wollte sie so tun, als wäre alles in Ordnung - als wäre sie nur eine gewöhnliche Bardin, die noch nie vom Namenlosen gehört hatte, jener dunklen Macht, die mittlerweile Krieg gegen ganz Edil-Amarandh führte. An diesem Abend wollte sie eine köstliche Mahlzeit genießen, und morgen würde sie ihren Unterricht fortsetzen …
    Sie rollte sich auf dem roten Sofa zusammen und wartete auf Cadvan. Im Augenblick war sie rundum zufrieden damit, allein zu sein. Dieser Raum war ihr Lieblingszimmer im Haus. Wenngleich sich dasselbe über ihr Schlafzimmer sagen ließ … und auch das Badezimmer mit seinem tiefen steinernen Becken, den Flaschen voller Duftölen und dem endlosen Vorrat heißen Wassers liebte sie. Ihr Blick wanderte träge über die blassgelben Wände mit den Blumenmustern, über die an den Bücherregalen lehnenden Musikinstrumente, das Fenster mit Stabwerk und zurück zum Feuer im Kamin, das hell knisternd die Kälte des Winterabends vertrieb.
    Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, dass sie zuletzt hier gewesen war, obwohl es in Wahrheit weniger als ein Jahr zurücklag. Hätte das scheue Mädchen, das vergangenen Frühling hier eingetroffen war, in Lumpen und mit verfilzten Haaren, und nichts von Barden, Schulen und Magie gewusst hatte, die Maerad erkannt, die nun hier saß? Wahrscheinlich hätte es sie verwundert angestarrt wie eine Gestalt aus einer Legende: Maerad von Edil-Amarandh, die Feuerlilie höchstpersönlich, die mit der Elidhu Ardina gesprochen hatte, der Königin von Rachida, der Tochter des Mondes. Maerad, die in den äußersten Norden der Welt gereist war, wo sie kalte Lichtervorhänge am Himmel hatte tanzen sehen und den Klauen Arkans, des
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