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Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
Autoren: Alison Croggon
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schattige Räume gescheucht, die nach Sandelholz rochen und in denen er die flüchtigen Eindrücke von bunten Farben erhaschte, von funkelndem Gold, Scharlachrot und Himmelbau, bevor er letztlich über einen großen Innenhof geschleift wurde. An dessen fernem Ende öffnete der Mann eine riesige Bronzepforte und trat hinaus in das blendend grelle Sonnenlicht auf der Straße. Einen Augenblick lang dachte Hem erleichtert, damit wäre der Fall erledigt, aber der Mann hielt immer noch erbarmungslos sein Ohr fest. Demütigend wurde er durch die Straßen gezerrt, bis sie bei Salimans Haus angelangten, das sich zum Glück nicht weit entfernt befand. Dort läutete sein Häscher die Messingglocke und wartete hartnäckig, bis jemand kam.
    Die verwirrte Jungbardin, von der die Tür geöffnet wurde, empfing einen Wortschwall auf Suderain. Sie spreizte die Hände, um die Flut zu bremsen, bedachte Hem mit einem scharfen Blick und schien den Mann ins Haus einzuladen. Der jedoch schüttelte den Kopf, woraufhin die Jungbardin flüchtete, um Saliman zu suchen. Hem und sein Häscher verharrten eine Weile schweigend draußen in der Hitze. Hem vertrieb sich die Zeit damit, auf die Türschwelle zu starren und angesichts seines schmerzenden Ohrs die Zähne zusammenzubeißen. Der Vogel in seinen Händen lebte noch; er spürte, wie sein Herzchen gegen seine Handflächen schlug.
    Schließlich kam Saliman zur Tür. Als er Hem erblickte, schössen seine Augenbrauen bis zum Haaransatz empor.
    »Hem!«, rief er. »Was hast du jetzt wieder angestellt? Alimbar el Nad! Sei mir gegrüßt!«
    Der Mann, dessen Unmut sich durch die Wartezeit gesteigert hatte, trug wortreich seine Beschwerde vor. Saliman antwortete ihm auf Suderain, und Hem gab den Versuch auf, der Unterhaltung zu folgen. Wenigstens hatte Alimbar ihn mittlerweile losgelassen. Geduldig stand der Junge da und rieb sich mit der freien Hand das Ohr. Anscheinend versuchte Saliman, Alimbar ins Haus einzuladen, doch Letzterer wollte nach wie vor nicht eintreten. Nach ein paar weiteren Wortwechseln wirkte der Mann ein wenig beschwichtigt, und schließlich verneigte er sich vor Saliman, der die Tür für ihn aufhielt. Saliman wandte sich Hem zu und winkte ihn ebenfalls hinein. Sein Blick war streng.
    »Du«, sagte er auf Annaren. »Um dich kümmere ich mich später. Ich will, dass du in dein Zimmer gehst und dort bleibst.«
    Während Alimbars Wut Hem unberührt gelassen hatte, ließ ihn jene Salimans verzagen. Demütig nickte er und huschte davon.
    In seinem Zimmer setzte Hem behutsam den Vogel auf seinem Bett ab. Das Tier gab ein leises Piepsen von sich, dann lag es mit geschlossenen Augen still, während seine Brust sich hob und senkte. Hem, der an sich etwas von Vögeln verstand, war verwirrt: Dies war eine Art, die er nicht kannte. Das Aussehen glich dem einer Krähe, doch das Gefieder war weiß. Offensichtlich handelte es sich um ein Jungtier, dessen Flaum gerade erst in ein richtiges Gefieder überging; die Schwanz- und Flügelfedern waren stoppelig und kurz, zudem wirkte das Tier insgesamt dürr und unfertig. Vorsichtig untersuchte Hem die Verletzungen des Vogels. Abgesehen von ein paar hässlichen Fleischwunden am Rumpf und Hals entdeckte er keine größeren Schäden, aber das Tier konnte innere Verletzungen haben, die er nicht sehen konnte. Knochen schienen nicht gebrochen, auch die Blutungen waren versiegt. Was ihm am meisten Sorgen bereitete, war der Schock; Vögel konnten an derlei Dingen leicht sterben. Er sah sich in seiner Kammer um und erblickte die Truhe, in der er seine Ersatzkleider aufbewahrte. Kurzerhand warf er die Kleider auf das Bett, breitete ein Tuch, das er zum Abtrocknen verwendete, auf dem Boden der Truhe aus und legte den Vogel behutsam hinein.
    So, mein Kleiner, murmelte er in der Hohen Sprache. Jetzt bist du in Sicherheit. Der Vogel gab ein leises Tschilpen von sich, als wollte er ihm danken, dann schloss Hem den Deckel, damit sich das Tier in der Dunkelheit geborgen fühlen konnte. Gleich darauf kam ihm der Gedanke, dass es womöglich nicht genug Luft bekommen könnte, also stopfte er ein Hemd unter den Truhendeckel, damit er sich nicht vollständig schloss.
    Wenn der Vogel in einer Stunde noch lebte, dachte Hem beisich, bestünde die Aussicht, dass er überleben würde. In zwei Stunden eine noch bessere. Wenn er morgen noch am Leben wäre, würde er bestimmt durchkommen. Er würde Wasser brauchen. Auf Hems Arbeitstisch standen ein Krug und ein Becher, aber keine
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