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Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
Autoren: Alison Croggon
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Hem wiederholte die Strophen, die der Elidhu gesungen hatte, danach erklärte er die Runen. Saliman lauschte mit vor Aufmerksamkeit gerunzelter Stirn. Als Hem seine Ausführungen beendete, blickte der Barde ihn voll Verwunderung an; aber er lächelte, und Hem erkannte mit Erleichterung, dass jenes kurze Gefühl der Entfremdung verflogen war.
    »In Nal-Ak-Burat habe ich gemeint, dass wir nicht alleine sind und es eine Grundlage für Hoffnung gibt«, sagte er. »Damals wusste ich nicht, wie Recht ich damit hatte. Das ist wichtig, Hem. Es kennzeichnet einen Wendepunkt in diesem Krieg gegen den Namenlosen. Ich wünschte nur, wir wüssten, was wir damit tun sollen.« »Ich auch«, pflichtete Hem ihm ein wenig verzweifelt bei.
    »Etwas ist mir aufgefallen«, fügte Saliman hinzu und runzelte abermals nachdenklich die Stirn. »Einige Runen fehlen. Es sind vier für den Winter, aber nur je eine für den Frühling und den Sommer. Eine für den Mittwintertag, aber keine für den Mittsommer …«
    »Die anderen müssen auf Maerads Leier sein«, schlug Hem vor. »Wie du vermutet hast.«
    »Ja«, gab Saliman ihm Recht. »Ich denke, so muss es sein. Und jetzt müssen wir ganz Edil-Amarandh absuchen, um sie zu finden.« Finster starrte er auf den Boden hinab. »Ich wusste, dass wir sie finden müssen«, ergänzte er. »Aber mir war nicht klar, weshalb. So ist das mit dem Weistum. Und jetzt, da ich den Grund kenne, habe ich keine Ahnung, wo wir mit der Suche beginnen sollen. Oder was wir tun werden, wenn wir sie finden.«
    Schweigen breitete sich zwischen den beiden aus, doch diesmal war es die behagliche Stille der Freundschaft. Hem ließ den Blick über das menschenleere Land der Nazar-Ebenen wandern, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Irc war zu dem Dickicht hinabgeflogen, in dem sie Nyanar zuerst gesehen hatten, kauerte dort auf einem Baum und war gegen das Gewirr der Zweige kaum auszumachen. Bald würde die Dunkelheit Einzug halten.
    »Der Namenlose muss das Baumlied von den Elidhu gestohlen haben«, meinte Hem. »Aber als ich es Nyanar zurückgeben wollte, hat er sich geweigert, es zu nehmen. Er wollte es nicht einmal berühren.«
    »Vermutlich konnte er es so, wie es ist, nicht nehmen«, erwiderte Saliman. »Es war mächtige Hexerei nötig, um das Baumlied anzuketten und diese Runen zu schaffen. Irgendwie müssen sie die Macht des Lieds der Elidhu enthalten. Zweifellos hat Nyanar das damit gemeint, dass es das Lied zu entketten gilt.«
    »Er hat auch gesagt, das Lied sei zerbrochen«, verriet Hem nachdenklich. Saliman blickte Hem prüfend ins Gesicht. »Hast du dich ein wenig erholt, Hem? Denn wir müssen hier weg. Bald setzt das Zwielicht ein.«
    Sie standen auf und klopften sich die Kleider ab. Irc flatterte auf Hems Schulter und zwackte ihn ins Ohr.
    Er ist wunderschön, sagte die Krähe. Der Vogel hörte sichfreudig erregt an. Hem wusste, dass Irc von Nyanar sprach. Ja, stimmte er ihm bedächtig zu. Er streichelte Irc den Hals; dabei geriet ihm plötzlich zu Bewusstsein, dass die Krähe ein wildes Tier verkörperte. Natürlich hatte er das gewusst, aber er hatte nie richtig darüber nachgedacht, was das bedeutete.
    Aber er ist traurig, meinte Irc. So traurig. Ich bin froh, ihn gesehen zu haben, aber er ist so traurig.
    Irc sprang von Hems Schulter und schwang sich hoch in die Luft empor, bis er sich nur noch als dunkler Fleck gegen die zuziehenden Wolken abzeichnete. Gleitend, schwebend und sinkend beschrieb er verzückte Flugbögen.
    Hem beobachtete Irc eine lange Weile, wie gebannt von der schieren Freude seiner Tollerei. In jenem grenzenlosen Reich der Luft war Irc völlig frei; und vor den Wolkenbergen wirkte er so klein, ein zerbrechliches Wesen aus Federn, Muskeln und zierlichen Knochen, zusammengehalten von … wovon eigentlich? Worin bestand der Funke, der Irc ausmachte, seinen wilden und listigen Freund? Warum liebte er Hem? Denn es schien wundersam, dass diese lebendige Kreatur Hem seine Treue und Freundschaft selbst im Angesicht des Todes schenkte.
    Ein plötzlicher süßlicher Schmerz durchzuckte Hems Herz. Es schien unmöglich, und doch war es so. Dasselbe galt für Saliman und Maerad und auch Zelika, die ihn ebenfalls geliebt hatte. Selbst ihr Tod konnte daran nichts ändern. Sie waren nicht weniger wild und frei als Irc, trotzdem hatten sie entschieden, ihn zu lieben, Hem,der solche Geschenke kaum verdiente, der blindlings auf diesen Pfaden stolperte. Und dennoch stellte er fest, dass er sie trotz all der
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